Juli - August 2017

Reisebericht: USA - Rundreise durch den legendären Westen

Gehen Sie mit unserer Chronistin auf Entdeckungstour durch den Westen der USA. Zahlreiche Nationalparks wie der Grand Canyon oder der Yosemite Nationalpark werden Sie genauso verzaubern wir der Flair der Städte. Egal ob auf den Spuren der Hippies in San Francisco oder auf den Spuren der Hollywood Stars in Los Angeles - was wird Ihr Highlight sein?

Chronistin Janine in den USA
Mein Tipp

Durch den legendären Westen

Janine, Berge & Meer Chronistin

Ephraim Kishon sagte einmal, wenn man beginne, seinem Passfoto ähnlich zu sehen, solle man in den Urlaub fahren.

Und weil man, wie Oscar Wild hervorhob, niemals ohne das eigene Tagebuch verreisen sollte, um immer etwas Aufregendes zum Lesen bei sich zu haben, habe ich beschlossen, auf dieser Reise meine Leidenschaft Eindrücke und Erlebnisse in Worte zu kleiden, Menschen und Situationen zu beobachten, Klischees mit Realitäten abzugleichen und auch dem Banalen und scheinbar Belanglosen Aufmerksamkeit zu schenken, in Form eines digitalen Tagebuchs nachzukommen.

Ich hoffe, dass das Schreiben für mich, während der vielen Stunden, die ich auf meiner Reise entlang der nordamerikanischen Westküste im Bus verbringen werde, zu einem vergnüglichen Zeitvertreib wird und den Lesern einen Einblick in meine (subjektiven) Erlebnisse, Beobachtungen und Erkenntnisse geben kann.

Es grüßt herzlich

Janine

1. Tag

Anreise

"Wenn einer eine Reise tut…"

Von drei "S", überlaufenden Toiletten, APC, CBP und einer rauschenden Quincheañera

Um 5.30 Uhr schrillt mit einem unerbittlichen Alarmton der Wecker und zerrt mich unsanft in die triste deutsche Morgenstimmung. Ein Blick auf die Wetterapp bestätigt den Eindruck des undurchdringlich erscheinenden grauen Wolkenteppichs. Regen und Tristes in allen Grauschattierungen erwarten Deutschland in der kommenden Woche, sagt die App. Ich wische weiter und blicke auf die Wettervorhersage für L.A.: stimmungsaufhellende 27 °C bei strahlendem Sonnenschein. Der Anblick der vielen kleinen Sonnensymbole versüßt mir das Aufstehen, denn nur noch wenige Stunde trennen mich von Sommer und Sonne. Adieu Tristes. Mit milder Gewalt schließe ich meinen Koffer, schultere anschließend meinen Rucksack, mache mich auf den Weg zum Bahnhof und fahre mit einer pünktlichen, sauberen Bahn in vollkommener morgendlicher Ruhe in den Tag hinein. Vor dem Umstieg in den ICE noch schnell ein leckeres Croissant am Bahnhof besorgen, um es auf der Fahrt nach Frankfurt genießen zu können. In der Tüte duftet es köstlich vor sich hin, während ich mich zum Gleis begebe. Bis jetzt läuft alles reibungslos.

"ICE Richtung Basel…", dröhnt es aus dem Lautsprecher, was, fünf Minuten vor der geplanten Abfahrt, darauf schließen lässt, dass weniger die Einfahrt des Zuges, als vielmehr seine Verspätung angekündigt werden wird. Richtig. Der Zug verspätet sich um 10 Minuten und, wie sollte es anders sein, die Wagen sind umgekehrt gereiht. Auf dem Bahnsteig beginnt ein großes Kofferschieben. Reisende versuchen - mal mehr, mal weniger erfolgreich, wie man nach Einfahrt des Zuges sehen wird - zu eruieren, wo der Wagon mit dem reservierten Sitzplatz halten wird. Aus den zehn werden fünfzehn Minuten und das Croissant wird somit schon auf dem Bahnsteig verzehrt. Als der ICE endlich einfährt, zeigt sich wer tatsächlich "richtig steht", wenn auch in diesem Fall "kein Licht angeht". Während erneut auf dem Bahnsteig mit großen und kleinen Koffern gerannt wird, stellt sich heraus, dass ich meine Position durchaus geschickt gewählt habe und mich ganz in der Nähe meines Wagons befinde. Der Sitzplatz ist bald gefunden und der ICE rauscht los Richtung Frankfurt. 40 entspannte Minuten liegen vor mir. Zeit mein neues Nackenhörnchen zu testen. Durch Überlagerung der Enden kann dabei eine ganz komfortable Kopfstütze geschaffen werden, die es, laut Hersteller, vermeiden soll, dass der Kopf nach vorne kippt. Naja, so ganz funktioniert das nicht, aber bequem ist es!

40 Minuten später heißt es "Thänk you for träveling with Deutsche Bahn" und ich rolle meinen Koffer Richtung Lufthansa-Terminal. Super. Das ging schnell. Auch die Schlange scheint bei Check-in nicht sonderlich lang, so dass ich mich optimistisch einreihe. Schon kurz darauf werde ich von einem netten Mitarbeiter der Lufthansa angesprochen. Ob ich bereits eine Bordingcard besitze, will er wissen. Das tue ich nicht. Daher werde ich gebeten, erstmal am Computerterminal selbst einzuchecken. Kein Problem, denke ich, welche unüberwindbaren Hürden sollen sich einem jungen, technikaffinen Menschen an einem solchen Terminal schon entgegenstellen? Nachdem das Terminal den Prozess erstmal vollkommen unerwartet abbricht, beginne ich, leicht grummelnd, nochmals von vorne: Reisepass einscannen, bestätigen, ESTA, Reiseziel, ... Abbruch… Das Grummeln verstärkt sich zu einer deutlichen Verstimmung. Warum funktioniert das nicht? Ich schaue mich nach links und rechts um. Links wird eine Familie von einem Lufthansamitarbeiter beim Einchecken begleitet. Rechts steht ein junges deutsch-amerikanisches Paar, das ähnlich wie ich permanent bei der Eingabe scheitert. Auch bei ihnen sinkt die Stimmung mit jedem Eingabeversuch und man beginnt zu streiten, wieso man nicht schon am Abend vorher eingecheckt habe, wer hier wieso das Terminal nicht richtig bediene und wieso man keine Plätze mehr nebeneinander bekommen könne. Puh, denke ich, wenigstens haben auch andere "digital Natives" Kämpfe mit diesem Terminal auszutragen. Ich spreche den Mitarbeiter der Lufthansa an, der gerade erfolgreich die Tickets für die Familie zu meiner Rechten ausgedruckt hat. Er ist ganz optimistisch und führt mich durch den Prozess - bis zur Eingabe des Reiseziels. "Bitte geben Sie die Adresse ihres Aufenthaltsorts an", bittet er mich. Ich erkläre, dass ich eine Rundreise machen werde. Damit ist auch er überfragt. Er muss sich erkundigen. Ich halte die Stellung. Alle 20 Sekunden fragt mich das Programm, ob ich abbrechen möchte und ich klicke beständig auf "nein". Kurze Zeit später ist der nette Mitarbeiter wieder da. Die Adresse des ersten Hotels, in dem ich übernachte, soll ich angeben. Ok. Ich wühle in meinen Reiseunterlagen und werde fündig. Kurz darauf ist alles eingegeben und das Programm - bricht ab… Der Mitarbeiter ist überfragt. Ich auch. Ich soll warten, er will nachfragen. Ich warte. Noch eine knappe Stunde bis zum Boarding. Ich habe noch kein Ticket, mein Koffer ist noch immer mein treuer Begleiter und von der Sicherheitskontrolle ist noch lange keine Rede… Langsam werde ich nervös. Der Mitarbeiter kommt zurück. Er sieht etwas mitgenommen aus und wedelt mit einem kleinen Blatt, das er mir in die Hand drückt. "Gehen Sie doch bitte in Halle B, dort werden Sie von einem Mitarbeiter eingecheckt", sagt er freundlich und auch etwas erleichtert darüber, meinen "Fall" los zu sein. Nach weiteren zehn Minuten stehe ich tatsächlich vor einem Mitarbeiter, erhalte mein Ticket und kann meinen Koffer abgeben. Als unverhofftes "Bonbon" erhalte ich einen Platz in der oberen Etage des Airbus A380-800 und zudem einen Platz am Notausgang! Jackpot! Und das ohne schon in Las Vegas gewesen zu sein! Ich bedanke mich herzlich bei dem netten Mitarbeiter und bekomme die Empfehlung mit auf den Weg, mich zügig zum Check-in zu begeben. Inzwischen sind es noch 30 Minuten bis zum Boarding. Das wird machbar sein.

Durch die Passkontrolle für EU-Bürger geht es schnell. Die automatische Kontrolle funktioniert reibungslos und im Handumdrehen stehe ich an der Sicherheitskontrolle. Ich solle bitte bis zur letzten Kontrollstation, "Nummer 10 oder so", durchgehen. Also, auf zu Nummer 10. Es wundert mich ein wenig, dass ich dafür ein blaues Absperrband passieren muss, aber es scheint alles seine Richtigkeit zu haben. Die Schlange ist kurz und ich bin bald dabei meine elektronischen Geräte gesondert von Flüssigkeiten und dem übrigen Handgepäck in die grauen Kästen zu füllen. Wunderbar. Noch 15 Minuten bis zum Boarding. Mich wundert, warum hier alle so genau kontrolliert werden, aber ich mache mir keine weiteren Gedanken. 10 Minuten später rollen endlich meine Habseligkeiten über das Band, doch einpacken darf ich noch nicht. Ich muss alle Taschen öffnen. Zudem wir ein Sprengstofftest!!! vorgeschrieben. Ich bin erstaunt und auch ein wenig entsetzt. Klar: Scannen, Schuhe ausziehen und Abtasten, ist mir von vielen Flügen bekannt, aber dass man mein Gepäck auf Sprengstoff untersucht?!

Ich erfrage gleich mal, warum es mich "getroffen" hat und erfahre, dass die CIA zufällig (?!) Passagiere im Vorhinein auswähle, welche dann diesen besonderen Check durchlaufen würden. Man könne dies auch dem Boardingticket entnehmen, denn auf diesem seien drei S vermerkt. Ich staune und zücke mein Ticket, aber drei S kann ich nicht finden. Die Mitarbeiter sind jetzt ebenfalls erstaunt. Vielleicht sei die Information auch nur elektronisch hinterlegt, mutmaßt man. Die Unterhaltung ist jedenfalls sehr aufschluss- und erkenntnisreich und "schon" 10 Minuten später packe ich dann tatsächlich zusammen. Wie mir im Nachhinein dämmert, hatte die nette Anweiserin wahrscheinlich die Schlange VOR dem blauen Absperrband gemeint… Aber so wurden mir jedenfalls neue Erkenntnisse zuteil.

5 Minuten nach Boardingbeginn! Naja, es ist ja ein großes Flugzeug, die Schlange wird noch nicht abgearbeitet sein. Und richtig! Als ich am Gate erscheine hat das Boarding nicht einmal begonnen. Also noch schnell das freie WLAN am Flughafen nutzen und etwas surfen. Auch für einen Besuch der Toilette bleibt noch Zeit, was sich schon in Kürze als sehr weise Voraussicht bezahlt machen wird.

"Boarding completed", heißt es um kurz nach 10.00 Uhr und ich genieße die wundervolle Beinfreiheit auf meinem Notausgangsplatz. Das Sicherheitsinstruktionsvideo läuft, die Purser nehmen Platz, die Maschine rollt an und ich beginne genüsslich in meinem Buch zu schmökern. Bald würde der Flug beginnen und ich bin mir sicher, auf diesem Platz werden mir die 11 Stunden Flugzeit kaum Unannehmlichkeiten bereiten. Insgeheim überlege ich bereits, wie es gelingen könnte, vielleicht auch für den Rückflug einen solchen Luxusplatz zu ergattern…

Nachdem wir 30 Minuten später noch immer rollen und einige Purser sich losgeschnallt haben, um beständig und geschäftig durch die Gänge in den hinteren Flugzeugteil zu strömen, regen sich in mir erste Befürchtungen. Nicht zu Unrecht, wie sich - nach weiteren 20 Minuten - herausstellen soll. Die hintere Toilette des Flugzeugs ist überflutet, das kann, so der Flugkapitän, der sich nun selbst zu Wort meldet, "schon mal passieren", was aber ungewöhnlich ist, ist, dass das Wasser auch an Stellen austritt, wo dies nicht er Fall sein sollte. Daher rollen wir zurück, um das von einem Technikteam überprüfen zu lassen. Nach einer knappen Stunde im Flugzeug sucht der Airbus daher wieder eine "Parklücke" und das leider noch immer in Frankfurt. Da ein Flugzeug der Ausmaße des Airbus A380-800 nur an wenigen Stellen auf dem Flughafen parken kann, dauert es einige Zeit, bis wir eine Lücke zugewiesen bekommen und diese erreichen. Ein Team von sechs Männern mit neonfarbenen Westen eilt durch die Gänge. Es wird gepumpt geschraubt und repariert. Ob wir mit diesem Airbus weiterfliegen können, wissen wir noch nicht. Dafür gibt es ein Erfrischungsgetränk und erste Passagiere, die gerne die Toilette aufsuchen würden, aber nicht können, da sich das System in Reparatur befindet. Hier macht sich mein voraussichtiges Handeln am Flughafen bezahlt. Ich genieße mein Getränk und die Kräcker, während viele sehnsüchtig auf die Freigabe der Toiletten warten.

Weitere 20 Minuten später strömt das Team in Neon wieder durch den Gang. Das Problem ist gelöst! Jetzt können wir endlich fliegen, denke ich noch, während sich der Kapitän wieder zu Wort meldet. Wir haben eine Flugfreigabe erhalten - soweit die gute Nachricht - jedoch erst in zwei Stunden. Ein Raunen geht durch die Gänge. Der Kapitän jedoch macht Hoffnung, Lufthansa verhandle mit Fraport und die Chancen ständen gut, dass der Fug früher fortgesetzt werden könne. So könnten etwa Startgenehmigungen unter den Flügen getauscht werden. Hoffentlich, denn sonst könnte die Verspätung weiterreichende Folgen haben, wie eine der Purserinnen erklärt. Wenn sich der Flug verzögert, muss das Personal bei einem so langen Flug befragt werden, ob es freiwillig länger arbeitet. Willigt ein Mitglied der Crew nicht ein, muss dieses ausgetauscht werden, was jedoch einige Zeit dauern kann. Dies kann wiederum dazu führen, dass die Zeitüberschreitung aller Crewmitglieder so groß wird, dass die gesamte Crew getauscht oder der Flug gecancelt werden muss. Glücklicherweise bleiben alle Crewmitglieder an Bord und die Abflugzeit wird vorverlegt. Mit etwa zweistündiger Verspätung starten wir.

Der Service auf dem Flug ist perfekt. Das Mittagessen ist zwar geschmacklich optimierungsfähig, die Schokokekse aber sind absolut wunderbar. Als kleine Aufmunterung zwischendurch macht die Crew Polaroidfotos von den Gästen und verschenkt sie in schönen "Air-Mail"-Umschlägen. Was für eine schöne Erinnerung, an eine außergewöhnliche Anreise.

Das Flugzeug hat schließlich einen guten Teil der Verspätung aufgeholt. So kann ich eine Stunde und 15 Minuten nach der geplanten Ankunftszeit amerikanischen Boden in der Stadt der Engel betreten.

Die Menschenmassen strömen in Richtung Immigration. Die Schlangen die sich vor den Schaltern bilden sind nicht zu übersehen. Ich stelle mich ans Ende der endlos wirkenden, in ewigen Schlaufen geführten Menschenreihe. Langsam kriecht die Schlange vorwärts. Nach etwa 45 Minuten stehe ich vor einem elektronischen Eincheckterminal. Diese Terminals gab es im letzten Jahr, zumindest in New York, noch nicht. Innerlich bin ich etwas angespannt, da mir die gescheiterte Prozedur am Lufthansaterminal vom Morgen noch plastisch in Erinnerung ist. Ob ich nicht an ein Terminal zu einem Mitarbeiter gehen könne, versuche ich eine der Ordnerinnen zu fragen, doch sie meldet nur barsch zurück, ob ich seit 2008 bereits nach Amerika eingereist sei, einen biometrischen Pass und eine gültige ESTA besäße, was ich bejahe und vermittelt mir dann kurz angebunden, dass ich dann also, wenn ich einreisen und nicht zurückfliegen wolle, nun ein elektronisches Terminal nutzen müsse. Also gut! Ich scanne meinen Reisepass, scanne die Finger meiner rechten Hand, blicke in die Kamera, mache Angaben zur Einreise und meinem ESTA-Status, versichere, dass alle Angaben korrekt sind und erhalte ein kleines Papier, auf welchem das soeben entstandene Bild, welches stark an ein Fahndungsbild erinnert, nebst einiger meiner Angaben abgedruckt ist. Die APC (Automated Passpot Control) ist abgeschlossen. Mit dem Nachweis werde ich zum nächsten Terminal geschickt. Nach weiteren 20 Minuten in der Menschenschlange erhalte ich von einem dieses Mal sehr freundlichen Mitarbeiter der CBP (Custum and Border Protection), der nach meinem Reisegrund und meiner Reiseroute fragt, einen Einreisestempel in meinen Pass drückt mir einen schönen Aufenthalt wünscht.

Nun darf ich mein Gepäck aufnehmen. Die Wege im Flughafen sind erfreulich kurz und auf dem Band zieht mein Koffer bereits fröhlich seine Kreise. Ich greife zu und rolle zum "Exit". Natürlich nicht, ohne zuvor das Papier mit dem "Fahndungsfoto" an einem weiteren Terminal abzugeben. Ob man kontrollieren will, ob ich den Flughafen auch tatsächlich verlasse oder eventuell auf die Idee komme, wie Tom Hanks im Film "Terminal", mein weiteres Leben im Flughafen von Los Angeles zu fristen? Sicher bin ich nicht, wozu diese Maßnahme dient, aber da ich schon nach wenigen Metern den Reiseleiter von "Berge und Meer" entdecke, der alle Gäste am Ausgang in Empfang nimmt, beschäftige ich mich nicht weiter mit dem amerikanischen Immigration.

Ich warte kurz vor dem Terminal, bis alle weiteren Personen eingetroffen sind, die mit mir gemeinsam ins Hotel gebracht werden sollen. Vor dem Flughafen herrscht geschäftiges Treiben. Neben englischen dringen viele spanische Sprachfetzen an mein Ohr. Zudem hupt es von allen Seiten. Mir wird klar, sollte ich jemals mit dem Auto durch den Westen Amerikas fahren, sollte ich zunächst prüfen, ob die Hupe funktionstüchtig ist…

Mit einem Schuttlebus geht es zum Hotel, dem Holliday Inn in Los Angeles, das ganz in der Nähe des Flughafens liegt. Knapp sieben Minuten später erreichen wir die Unterkunft und unser Reiseleiter Fred besorgt zügig Zimmerschlüssel und Frühstücksvoucher. Dann entlässt er uns in den Abend, natürlich nicht ohne zuvor zu erklären, dass wir alle um 6.00 Uhr am Folgemorgen per "Wake-up-call" geweckt würden und uns bis 7.45 Uhr in der Lobby einfinden müssten, damit der Bus pünktlich um 8.00 Uhr abfahren könne.

Ich schiebe meinen Koffer in mein Zimmer und stelle erfreut fest, dass die Betten, typisch amerikanisch, riesig und bequem sind. Ansonsten ist alles recht zweckmäßig eingerichtet, aber sauber und ordentlich.

Um mir einen Eindruck von der Umgebung zu machen, verlasse ich mein Zimmer am Abend nochmals. Um das Hotel herum finden sich keine sehenswerten Gebiete. Will man nicht gerade ein Auto mieten oder tanken, kann man sich mit Burgern versorgen, ansonsten jedoch offeriert die Umgebung wenig Sehenswertes. Eigentlich hatte ich mir ja gewünscht am Abend noch einen kurzen Ausflug zum Meer zu machen, doch eine Nachfrage an der Rezeption führt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass man mit dem Taxi gut 30 Minuten fahren würde. Da die Sonne bereits im Untergehen begriffen ist, erscheint es keine sinnvolle Option zu sein, diesen Weg anzutreten.

Also besorge ich mir den Zugangscode für das Hoteleigene, freie WLAN, um Neuigkeiten in die Heimat zu transferieren. Während ich in der Lobby hinter einer Jugendgruppe und zwei Piloten anstehe, zieht zu meiner Rechten eine Latina in einem rosafarbenen Kleid aus Satin, Tüll und viel "Bling, Bling" an mir vorbei. Hinter hier folgt, laut johlend eine große Gesellschaft. Die Kinder sind ebenfalls in Rosa gekleidet. Die Mädchen stecken ebenfalls in rosa Tüllkleidern, die ein wenig an Sahnebaiser oder Zuckerwatte erinnern. Die Jungen tragen schwarze Hosen und Hemden und dazu rosafarbene Hosenträger. Auch der Saal, in den ich einen kurzen Blick erhasche ist in sehr festlich in rosa dekoriert. Alles wirkt, als würde hier eine pompöse Hochzeit gefeiert, doch ein Bräutigam ist nirgends zu sehen.

Ich muss also googlen, was es mit diesem Fest auf sich hat! Was hier gefeiert wird, nennt sich "Quincheañera", der 15. Geburtstag eines Mädchens in lateinamerikanischen Ländern. Die Feier kennzeichnet den Übergang des Mädchens zur Frau. Die Verwandten überreichen (rosafarbene) Blumen. Das Mädchen ist meist brautähnlich jedoch in rosa gekleidet. Sieben Ehrendamen und -herren begleiten sie. Das Fest wird mit einem Walzer eröffnet. Im Laufe des Abends tanzt das Mädchen mit all seinen Freunden und männlichen Verwandten. Zudem hat der Abend einen genauen Ablauf, wobei die verschiedenen Gänge immer wieder von Tanzfolgen unterbrochen werden.

Nachdem ich dies in Erfahrung gebracht habe, verlangt mein Laptop nach Nahrung. Jedoch muss ich feststellen, dass mein Adapter nicht passt. Daher mache ich mich nochmals auf den Weg vorbei an der Feier, die nun in vollem Gange ist, zum Hotelshop. Ich erwerbe ein chinesisches Importprodukt für vollkommen überteuerte 16!!! Dollar, aber was tut man nicht alles für einen geladenen Akku. Der Adapter passt, wenngleich er von meinem Stecker „"bergewicht" erhält und langsam aus der Steckdose gleitet. Ich errichte eine Konstruktion aus einigen Büchern, die den Stecker gegen im 90° Winkel nach oben drücken. Es hält, der Akku lädt. Perfekt!

Nach diesen vielen Eindrücken des ersten Tages bin ich Müde und schlafe schnell ein, wenngleich die Feier im Untergeschoss ein deutlich vernehmbares Basswummern durch die Hotelmauern sendet und es draußen, aufgrund der Leuchtreklamen, fast taghell ist.

2. Tag

Los Angeles - Las Vegas

"Das ist kein Urlaub" Von einer tröpfelnden Dusche, leckeren Bagels, blauen Papiertüten in der Wüste, Begegnungen mit Zoltar und Ronald, einem Eifelturm im Maßstab 3:1 und weisen Worten eines Reiseführers"

Als ich kurz vor 6.00 Uhr aufwache fühle ich mich zwar ausgeschlafen, aber dennoch etwas gerädert. Neun Stunden Zeitumstellung gehen doch nicht spurlos an einem Menschen vorüber. Vielleicht hilft eine erfrischende Dusche denke ich, während ich an der Armatur drehe, um den Wasserstrahl zu verstärken. Dies jedoch gelingt nicht. Die Dusche quält nur wenige Tropfen hervor. Dünne Wasserfäden bedecken mühsam meinen Körper. Das Shampoo will sich nicht so schnell nicht von dem kleinen Rinnsal geschlagen geben und auch das Duschgel weicht nur langsam. Ob das mit der Wassernot in Kalifornien zusammenhängt?

Jetzt geht es erstmal zum Frühstück. Der Frühstücksraum ist typisch amerikanisch eingerichtet mit dunklen, gepolsterten Holzstühlen und einem dicken, gemusterten Teppich. Es gibt ein Büffet mit reichlicher Auswahl. Natürlich weder deutsches Brot noch Brötchen, dafür Weizen- und Vollkorntoast sowie Bagels zum frischen Toasten. Drei verschiedene Sorten Käse, gekochter Schinken, viel frisches Obst, Marmeladen, Rührei, Speck, gebratene Kartoffeln, French Toast, Müsli und Marmeladen stehen zur Auswahl und lassen keine (Frühstücks-)wünsche offen. Der amerikanische Kaffee schmeckt ebenso wie der Orangensaft, wenngleich dieser nicht frisch gepresst wurde. Das Frühstück tröstet über die Rinnsaldusche hinweg und stimmt mich positiv für den Tag.

Um 7.45 Uhr schiebe ich meinen Koffer zum Bus. Alle sind pünktlich und die erste Etappe der Rundreise kann beginnen. Fred, unser Reisleiter, stellt sich vor und gibt uns, für Notfälle, seine Mobilnummer. Auch einen Plan des Reiseverlaufs und eine Hotelliste mit allen Adressen und Rufnummern erhalten wir gleich zu Beginn. Während sich der Bus durch den dichten Verkehr aus der Stadt hinaus schiebt, erfahren wir von unserem erfahrenen Reiseleiter, der schon mehr als 30 Jahre in diesem Beruf arbeitet, dass wir damit rechnen können, dass die vor uns liegenden 13 Tage KEIN Urlaub werden! Viele Städte, Nationalparks, Landschaften, Menschen und Eindrücke, hunderte von Kilometern auf der Straße - DANACH, so Fred, sei man urlaubsreif. Ich bin gespannt!

Die Stadt haben wir hinter uns gelassen und am Straßenrand wird es dürrer, die Landschaft färbt sich bräunlich rot. Kakteen bilden kleine grüne Flecken vor der Wüstenkulisse und den schroffen braun-roten Bergen im Hintergrund. Fred berichtet über amerikanische Besonderheiten. Er erklärt, dass man in Amerika mit 14 einen Führerschein erwerben kann, mit 17 ist es erlaubt für das Vaterland in den Krieg zu ziehen, aber erst mit 21 darf man Alkohol trinken. Wenn ein Jugendlicher beim Alkoholkonsum unter 21 erwischt, gilt dieser fortan als vorbestraft. Wir erfahren auch schon erste Besonderheiten über Las Vegas und das Schulsystem: Während in den übrigen Staaten der USA der Grad der Bildung deutlich von der Geldbörse der Eltern abhängig ist, ist Bildung in Las Vegas kostenfrei. Zudem finden in Vegas meist beide Elternteile eine Arbeit, so dass auch das Familieneinkommen meist höher ist, als in anderen Staaten.

Etwa zwei Stunden später gibt es eine kurze Rast. An eine riesigen Candybar gibt es Zuckerstangen und Jelly Bellys in schier unendlichen Geschmacksrichtungen: Piña Colda, Island Punch oder gar Speck werden angeboten. Wer möchte kann sich in der Raststätte, die im Wesentlichen aus ausrangierten Langsteckengüterwagons besteht, die Güter in kilometerlangen Zügen quer durch die Nation transportieren, auch für nur einen Dollar die Zukunft von "Zoltar" voraussagen lassen. Dieser sitzt in einem Glaskasten und blickt etwas grimmig unter seinem gelben Turban hervor. Er scheint mir nicht besonders vertrauenswürdig, weshalb ich ihm mein Geld vorenthalte und mich lieber zu Ronald (McDonald) auf die Bank setze.

Es geht weiter durch die Mojave Wüste, was so viel wie "Menschen am Fluss" bedeutet. Nun steigt auch die Temperatur deutlich an. Der moderne Reisebus ist zwar angenehm klimatisiert, jedoch strahlt die Sonne heiß durch die Fenster und wärmt diese fühlbar.

Nun erhalten wir alle wichtigen Informationen zum Reiseverlauf und die Möglichkeit, besondere Ausflüge hinzu zu buchen. Während Fred uns genau erklärt, welcher Ausflug welche Vorzüge hat und welche Besonderheiten offeriert, vergeht die Zeit bis zur Mittagspause wie im Flug.

Wir stoppen an einem Outlet-Center. Eigentlich bin ich ja nicht zum Shoppen nach Amerika gereist, denke ich noch, doch als ich das Shoppingparadies erstmal betreten habe, bin ich dann doch nicht abgeneigt. Mit einer gut gefüllten blauen Papiertüte eines namenhaften amerikanischen Designers und einem Stück Pizza auf der Hand verlasse ich eineinhalb Stunden später das Gebäude. Natürlich galt es auch im Outlet wieder amerikanische "Kultur" zu beobachten, so fanden sich überlebendgroße Flamingos in einem Wasserbassin, eine amerikanische Abwandlung des klassischen Säulen-Atlas, in Form zweier in Badewäsche gekleideter, riesiger Plastikfiguren, die, statt der Welt, eine Lampe auf ihren Schultern trugen, selbstfahrende Hunde und Schweine, auf deren Rücken Kinder durch die Mall fuhren und selbstverständlich Fast-Food, Kaugummis in Riesenautomaten und vielen Mickey Mäuse.

Als ich aus dem gut gekühlten Center trete, schlägt mir die Hitze der Wüste entgegen. Schnell "flüchte" ich in den kalten Reisebus und genieße das letzte Stück des Weges bis nach Las Vegas.

Während wir nach Las Vegas einfahren schallt Elvis aus den Buslautsprechern. "Viva Las Vegas" singt Elvis und preist die Wüstenstadt in höchsten Tönen. Vor uns eröffnet sich die Skyline der Stadt, dann erscheinen auf der rechten Seite all jene Gebäude, die man von unzählig vielen Abbildungen kennt und nun live erleben darf: Zunächst sehen wir die Pyramide des Luxor. Sie ist Symbol für den politischen und wirtschaftlichen Erfolg des Staats. Es folgt das strahlende "Mandalay Bay" Hotel, das riesig vor uns aufragt, dann ein Schloss mit roten und blauen Türmen, die Freiheitsstatur, eine Achterbahn, das neue 8.4 Milliarden Dollar teure Zentrum mit seinen 6 Hotels und den 12 Casinos, der Eifelturm im Maßstab 3:1, die Freiheitsstatue, Caesars Palace, an dem Reklame für Celine Dion, Rod Steward und Mariah Carrey prangt, und das Riesenrad. Wahnsinn! Ich bin gespannt darauf, all dies aus der Nähe zu betrachten!

Auf der Straße befinden sich keine Menschen. Es ist viel zu heiß. Erst in der Nacht wird sich die Stadt beleben. Als wir aussteigen, um unsere Zimmer im "Gold Coast Hotel" zu beziehen, merken wir wie unerträglich heiß es inzwischen geworden ist. Es ist 15.00 Uhr nachmittags und über 40 °C warm. Also erstmal durchs Casino, an vielen spielwütigen Menschen und den zahlreichen Spielmaschinen vorbei, ins klimatisierte Zimmer. Auch hier ist wieder alles sauber und gepflegt. Das Bett groß und bequem und die Einrichtung recht modern. Das Mobiliar ist, typisch amerikanisch, in dunkler Holzoptik gehalten, der dicke Teppich ist hell und an den Wänden hängen moderne Kunstdrucke. Hier kann man sich für die nächsten zwei Übernachtungen einrichten. Gemütlich! Wenn es am Abend abkühlt ist noch ein Ausflug ins Zentrum möglich. Das Hotel stellt einen Shuttlebus, der direkt zum Riesenrad fährt.

3. Tag

Las Vegas - Zion Nationalpark - Bryce Canyon Nationalpark

"Go west!" und "Plastic is fantastic"

Auf den Wegen der Auswanderer durchs Shoshonengebiet über Venedig, Rom und Paris bis nach Hollywood.

Die Dusche im "Gold Cost" braust energisch. Klein Vergleich mit dem Rinnsal aus L.A.! Es gibt also keine Verzögerungen auf dem Weg zum Frühstück. Ich bahne mir den Weg durch das riesige Spielcasino im Erdgeschoss des Hotels, um zum "Frühstücksraum" zu gelangen. An den Maschinen sitzen schon jetzt (oder immer noch?!), um 7.00 Uhr am Morgen, einige Unerschütterliche. Aber es herrscht morgendliche Casino-Katerstimmung. Die Menschen sehen müde aus. Ich frage mich, ob sie wohl gerade erst gekommen sind oder schon die Nacht hier verbracht haben. Statt Euphorie schlägt dem Betrachter eher Lethargie entgegen. Fast abwesend ziehen einige Spieler an Hebeln oder drücken Knöpfe der ständig blinkenden und Aufmerksamkeit fordernden Automaten. Leuchtschriften, die mit riesigen Gewinnsummen werben drehen sich über den Köpfen der Spieler. Mir kommt Dostojewskis "Spieler" in den Sinn. Ob hier nicht auch einige der in sich zusammengesunkenen Menschen Automaten aus schierer Sucht beständig füttern. Warten sie auf den Adrenalinrausch, der sich bei einem Gewinn einstellt, haben sie das schon erlebt oder spielen sie, weil sie bereits zu viel verloren haben um aufzugeben?

Ich bewege mich nachdenklich weiter zum Frühstück. Da das Buffet erst um sieben Uhr öffnet, bin ich ein paar Minuten zu früh, doch vor mir hat sich bereits eine Schlange gebildet. Sauber durch Pfähle mit Seilen getrennt, wie man es in Amerika an so vielen Orten kennt und auch inzwischen in Europa immer mehr finden kann, warten die Menschen geduldig in der Reihe. Für den Voucher erhält man einen blauen Bon und stellt sich in der nächsten Reihe an. Man wird, wie in den USA üblich zu seinem Tisch geführt und erhält gegen den blauen Bon Getränke. Der Kaffee wird beständig nachgefüllt. Kaffee mit Milch scheint man aber an der Westküste nicht zu kennen. Kondensmilch schon, aber normale Milch für den Kaffee oder gar aufgeschäumte, damit kann man hier nichts anfangen. Ich erhalte also ein Glas Milch und kann mir mein Gemisch am Tisch selbst zusammenstellen. Das ist auch ok.

Ich schaue mich nach dem Buffet um. Es gibt eine lange Theke, hinter der sich, wie in einer Kantine, gleich die Küche befindet. Es gibt Waffeln, Pancakes und süßes Gebäck aller Arten. Dazu sind süße Toppings und Sahne in rauen Mengen verfügbar. Zudem finden sich deftige, hochkalorische warme Speisen wie Hackfleischbratlinge, Würstchen, Speck, Omelette und Kartoffeln. Natürlich darf auch Oatmeal und Toast nicht fehlen. Das amerikanische Frühstück ist schon eine Herausforderung für den deutschen Magen, aber nach ein paar Runden um das sehr umfangreiche Buffet finde ich auch noch Obst und Rührei. Käse und Aufschnitt sucht man allerdings vergeblich. Aber man reist ja schließlich auch nicht, um wie daheim zu leben!

Dann heißt es auch schon: Auf zum Bus. Ich habe zusätzlich den Ausflug ins Tal des Todes gebucht und finde mich pünktlich um acht Uhr am vereinbarten Treffpunkt ein. Schon kurze Zeit später sind wir "on the road again". Es geht hinaus aus der Stadt und vorbei an teuren Wohngebieten. Zahlreiche Wohnsiedlungen befinden sich im Neubau und man kann sehen, dass alle in einer recht primitiven Holzständerbauweise errichtet werden. Teuer sind sie dennoch, denn die Umgebung macht den Preis. Fred scherzt, dass es hier nicht problematisch sei, würde man einmal den Haustürschlüssel vergessen, denn mit einem Fuchsschwanz könne man ganz leicht Zugang zur eigenen Wohnung über jene des Nachbarn erhalten und einen Nagel in der Wand könne man sich durchaus auch mit diesem teilen. Dass diese Wohnungen sehr hellhörig sind, versteht sich natürlich von selbst…

Wir fahren vorbei an Bergen mit hellem und rotem Sandstein. Passieren Kakteen und Grasbüschel auf sandigen Hügeln und erleben ein phantastisches Felspanorama zu beiden Seiten. Ein paar Mal passieren wir deutlich angeschossene Straßenschilder und Fred erklärt, dass hier vielfach aus den Autos auf die Schilder geschossen werde, weshalb diese häufig ausgetauscht werden müssten, so dass inzwischen eine Gefängnisstrafe auf dieses Vorgehen stehe. Zum Thema Gefangenschaft führt Fred gleich weiter an, dass die inhaftierten Freigänger früher die Straßen durch die Wüste gebaut hätten und noch heute für die Ausbesserungen der Straßen und viele Arbeiten in der Wüste eingesetzt würden.

Bald gelangen wir zu unserem ersten Stopp. Der paläozoische Kaibab-Kalkstein schimmert uns von den Bergen farbenfroh entgegen. Rot, weiß und gelb sind sie gestreift und leuchten in der Sonne. Tolle Fotomotive für die wir einen Stopp einlegen. Bevor wir die Zivilisation verlassen erhalten wir die Möglichkeit uns in einem Supermarkt für den Tag einzudecken und ein letztes Mal eine "richtige" Toilette, im Nationalpark finden sich nur "Plumpsklos", aufzusuchen. Da ich das Einkaufen in den regionalen Supermärkten liebe, bietet der Stopp für mich viele interessante Einsichten. Wie immer in Amerika sind Gänge, Packungsgrößen und Einkaufswagen größer bemessen als in Europa. Ein ganzer Gang widmet sich ausschließlich Proteinshakes. Milch gibt es in 10 Liter Kannen, die Campbells-Dosen, die schon dem Popartkünstler Andy Warhol als Inspiration dienten, füllen viele Regalreihen, Chips und Süßigkeiten finden sich in tausenden von Variationen, aber auch frisches Obst und Fleisch bietet der Supermarkt. Es ist gibt auch sogenannte "Patriotic Cookies", Kekse in Sternenform in den Nationalfarben blau, weiß und rot oder runde Kekse mit roten und weißen Streifen und blauen Streuseln. An der Kasse gibt es sogar einen Einpackservice. Die freundliche Bedienung packt unter der amerikanischen Flagge alle Einkäufe in eine Tüte und überreicht sie mir. Diesen würde ich mir auch für Deutschland wünschen, wo man an einigen Supermarktkassen schon damit rechnen muss, dass die soeben erstandenen Waren vom Kassenband auf den Boden fallen, so man nicht schnell genug zugreift und alles in Korb oder Wagen verstaut.

Nach einer halben Stunde geht die Fahrt weiter. Als wir den Death Valley Nationalpark erreichen, dessen Territorium die Heimat der Shoshone ist, halten wir erneut, um Fotos zu machen, denn das Schild selbst gebe es natürlich auch als Postkarte, wie Fred erklärt, aber man müsse ja zeigen können, dass man selbst dort gewesen sei. Also schießen wir alle Bilder von uns vor dem Schild. Bei der Einfahrt in den Park erzählt Fred, wie das Tal zu seinem Namen kam. Er berichtet von den ehemaligen Siedlern, die mit Handkarren, Haus- und Nutztieren, Werkzeugen und Saatgut in der Hoffnung auf ein besseres Leben von der Ost- zur Westküste zogen. "Go west!", lautete die Devise. Dabei versuchten sie so wenige Berge wie möglich zu überqueren und die großen Ebenen zu nutzen. An einem guten Tag gelang es den Menschen 14 - 15 km zurückzulegen, wobei viele, gerade während der 189 km durch das "Death Valley", den Tod fanden. Als man das Tal durchquert hatte, drehte man sich um, winkte zum Abschied und rief im Andenken an die Verstorbenen und in großer Erleichterung aufgrund des eigenen Überlebens: "Tschüss Tal des Todes". Wir machen einen Fotostopp an der Filmkulisse des Blockbusters "Planet der Affen". Eine atemberaubende Kulisse für phantastische Erinnerungsbilder. Im Anschluss bahnen wir uns weiter unseren Weg über die fast leere Straße hin zum tiefsten Punkt des Areals. Wäre es Winter, so Fred, würden die Autos hier "Stoßstange an Stoßstange" fahren, aber da es den Touristen im Sommer nicht erlaubt ist, mit den Mietwagen in das Tal des Todes zu fahren, ist hier kaum jemand unterwegs.

Wir fahren vorbei an immer bunter werdenden Felsen. Hellgrau färbt sich der Stein durch Silber, lila durch Mangan, gelb durch Schwefel, dunkelgrau durch Uran und schwarz durch Lava. Das bröckelige Gestein weist einen extrem hohen Sandanteil auf, so dass bei starkem Regen die Straßen stark überschwemmt werden und nicht mehr passierbar sind. Auch wenn dies nur alle paar Jahre geschieht, darf das Risiko nicht unterschätzt werden, sagt Fred. Überhaut meint Fred, seien viele Touristen recht leichtsinnig, wenn sie trotz der Warnungen die Hauptstraßen des Tales verließen und in die Wälder führen. Versagt hier das Auto und hat man dann noch zu wenig Flüssigkeit dabei, kann ein solcher Ausflug schnell tödlich enden, weshalb noch immer zahlreiche Menschen hier jährlich ums Leben kommen. Die Verdunstung im Tal des Todes ist enorm. Sie liegt fast bei 100 %, so dass Regen kaum bis zum Boden am tiefste Punkt vordringt. Bei der Mittagspause erhaschen wir dann aber doch ein paar der so seltenen Tröpfchen, die sich erfrischend auf den Körper legen. Wenn es in der Wüste tatsächlich einmal richtig regne, so Fred, blühe die Natur in den prachtvollsten Farben. Kaum vorstellbar. Noch befinden wir uns auf der Höhe des Meeresspiegels, doch nun fahren wir hinab auf - 89 Meter zum Salzsee, der im Sonnenlicht wie eine Wasseroberfläche im etwa 39 km breiten Tal schimmert, das von bis zu 4.000 Meter hohen Bergen umgeben ist. Schnell unterschätzt man hier die Weiten, wie Fred sagt und ich selbst erfahre, als wir eine halbe Stunde Aufenthalt am Salzsee haben. Ich versuche die große Salzfläche innerhalb der Zeit zu erreichen und muss feststellen, dass ich es, trotz eines strammen Marsches, nicht schaffen kann. Die Luft ist sehr war, aber ganz trocken. Ich hatte mir die Hitze unaushaltbarer vorgestellt, aber die 110° F (etwa 43 °C) sind, sofern man hier keine längeren Wanderungen unternimmt, erträglich. Es könnte auch heißer sein, denn im Hochsommer können die Temperaturen bis zu 52 °C erreichen. Im Winter hingegen gehen die Temperaturen auch schon mal auf - 8 °C zurück, eine starke Temperaturdiskrepanz.

Zum Mittagessen fahren wir vorbei an einem Shoshonereservat und vielen Dattelbäumen zum "Furnac Creek - Vistor Center". Wir können dort verzehren, was wir zuvor im Supermarkt gekauft haben, allerdings draußen… Zum Essen erscheinen mir 110° F dann doch etwas viel. Ich glaube zunächst nicht, dass ich einen Bissen herunter bekomme, doch dann schmeckt der Salat doch ganz gut, während ich mich mit einigen netten Mitreisenden über das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und Unmöglichkeiten unterhalte.

Zum Abschluss werfe ich noch schnell einen Blick ins Visitor Center, in dem sich eine schöne Ausstellung über die Flora und Fauna des Nationalparks befindet und es natürlich reichlich Souvenirs zu erwerben gibt. Kurz darauf sitzen wir auch schon wieder im Bus und treten die zweistündige Rückfahrt an, auf der es dann tatsächlich zu regnen beginnt. Kurz aber durchaus kräftig ergießt sich das Wasser über die Wüste. Schnell bilden sich kleine Flüsse an den Straßenrändern, denn der durchdorrte Boden kann das Wasser nicht aufnehmen. Über meine Katwarn-App erreicht mich der Warnhinweis: "Flash Flood Warning this area till 4.15 PM PDT. Avoid flood areas. Check local media."

Nach einem kurzen Stopp (1.5 Stunden stehen uns zur freien Verfügung) am Hotel geht es wieder in den Bus. Die Stadtbesichtigung von Las Vegas bei Nacht, die ich ebenfalls hinzugebucht habe, steht auf dem Plan. Zunächst fahren wir zum "Venetian". Das riesige, 1999 eröffnete Hotel mit seinen 7.128 Zimmern und einer Casinofläche von 11.148 m², hat sich von außen und innen ganz Venedig verschrieben. Schon von außen erkennt man die Fassade des Dogenpalastes, den Campanile (den am Markusplatz stehenden Glockenturm) und die Rialtobrücke, die im Nachbau hier sogar etwas größer ausgefallen zu sein scheint, als das Original. Im Inneren finden sich venezianische Kanäle mit Gondeln und singenden Commedia dell´arte Gondolieri (auch hier, wie in Venedig, ist dieser Job eine Männerdomäne!), wie im echten Venedig, nur etwas preiswerter, denn hier kann man eine Gondelfahrt schon ab 29 US$ tätigen. Legt man Wert auf Zweisamkeit und möchte die Gondel nur mit dem Liebsten teilen, muss man deutlich tiefer in die Geldbörse greifen, denn dann kostet die kurze Fahrt bereits 116 US$! Besonders beeindruckend aber ist der riesige Markusplatz im Hotel mit einem - auf den ersten Blick - täuschend echten Himmel. Bei genauerem Hinsehen erkennt man die Verbindungen der Deckenelemente. Tatsächlich scheint einigen Mitgliedern der Reisegruppe erst auf den zweiten Blick aufzufallen, dass wir uns nicht im Freien befinden. Ich fühle mich etwas an den Film "Truman-Show" erinnert, in welchem Truman in einem künstlich geschaffenen Umfeld lebt ohne dies zunächst zu bemerken. Der Markusplatz und die Kanäle sind gesäumt mit hochpreisigen Designerboutiquen. Die Inszenierung dient letztlich natürlich nur der Kapitalisierung. Aber das Konzept geht auf. Die Menschen strömen in Massen durch das künstliche Venedig. Auch die 15-minütige Show auf dem Marktplatz, die wir uns anschauen, passt sich in die Gesamtinszenierung ein. Hier wird von Sängern in Roben, die wohl an das Trecento erinnern sollen, dargeboten, was sich Amerikaner in Las Vegas unter italienischer Kultur vorstellen. Begleitet von Jonglagen und Stelzenlauf, die von Figuren im Kleidungsstil begleitet werden, erklingen unter anderem die nepolitanischen Lieder "Bella Bimba", "Funiculì, Funiculà" und der Eurovisionshit "Nel blu dipinto di blu" (vielleicht besser bekannt unter dem Titel "Volare"). Natürlich hat das alles hier mit italienischer Kultur und auch mit Venedig selbst nicht wirklich viel gemein, aber wer es nicht nach Europa schafft, kann hier wenigstens ein paar Bauwerke der wundervollen Stadt bestaunen.

Kurz vor dem Ausgang sehen wir den "Antiquitätenladen" ("Regis Galerie"), in dem Michael Jackson früher für Millionen kaufte. Noch immer laufen Videos im Schaufenster, auf denen Michael zu sehen ist, wie er in der "Regis Galerie" einkauft. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Reportage über Jackson, in der ein Ausschnitt aus seinem "Einkauf" in der Galerie gezeigt wurde: Michael zeigt dabei, scheinbar wahllos, auf Gegenstände und diese begleitet von den Worten: "That one, that one, …", kauft. Bei einem Gegenstand stutzt er, wendet sich zu einem seiner Begleitet und fragt: "Habe ich das schon?", entscheidet dann aber schnell: "Ich nehme es" und setzt seinen Einkauf auf diese Weise fort. Dass in ebendieser Galerie nun unter den Videos zu lesen ist: "Our friend Michael, you will be missed!", ist damit wohl nur zu verständlich.

Als wir das Hotel verlassen passieren wir noch einen Raum, der an die Kassettendeckengestaltung mit der Lüftlmalerei des Dogenpalasts erinnert. Fred teilt uns mit, dass die Gemälde von mailändischen Kunststudenten gefertigt worden seien. Wirklich beeindruckend, wenngleich alles hier in Vegas einen gewissen Plastik-Charme nicht ablegen kann.

Aus dem klimatisierten Raum geht es hinaus auf die Straßen von Las Vegas, auf denen es auch am Abend noch über 35 °C warm ist. Wir laufen vorbei am "Mirage", vor dem sich ein großer, tressenförmig angelegter Wasserfall in einer Palmenlandschaft auftut. Palmen und Wasser sind echt, die Steine im Wasser und der Rasen jedoch sind künstlich, sonst wäre es ja auch nicht Vegas. Im dichten Menschenstrom schieben wir uns den Strip herauf am Madame Tussauds, dem Harrahs und dem Flamingo vorbei. Alles ist bunt und blinkt. Die Leuchtreklamen und Videowände sind riesig und vielfach mit Lautsprechern versehen, so dass die Straßen mit Musik und Werbung beschallt werden. Wir biegen in den "Caesars Palace" ab, in dem sich eine Wendelrolltreppe befindet und das im römischen Stil eingerichtet und gestaltet ist. Außen finden sich der "Fontana di Trevi" und das Colloseum. So schnell gelangt man von Venedig nach Rom! Natürlich sehen wir auch das Zelt, in welchem die Schwergewichts Boxkämpfe stattfinden.

Es wird langsam dämmerig und die bunten Lichter verwandeln die Stadt in das Vergnügungsparadies, das von so vielen Abbildungen bekannt ist. Wir gehen am Eifelturm vorbei (in nur 5 Minuten von Italien nach Frankreich! Wow!) und schauen dann im Bellagio vorbei. Über uns eine Decke aus Glasblumen, direkt daneben eine Blumenanlage mit einer Nachbildung Capris und riesigen, aus Nelken gesteckten Zitronen. Es geht vorbei am größten Schokoladenbrunnen der Welt und dann wieder auf die Straße, um die Fontänenshow zu bewundern. Zur Musik bewegen sich die Fontänen aus 1.200 Wasserdüsen auf 300 Metern Länge, beleuchtet von 5.000 Scheinwerfern, in Schlangenlinien oder bilden bis zu 150 Meter hohe Fontänen. Ein tolles Erlebnis, das sich Dubai abgeschaut und vielleicht noch etwas beeindruckender umgesetzt hat. Wäre ich zunächst in Vegas und erst dann in Dubai gewesen, wäre meine Begeisterung wahrscheinlich noch größer. Unser Tross bewegt sich gleich im Anschluss an die Show weiter zum "Planet Hollywood", um von dort aus mit dem Bus in das alte Zentrum zu fahren, jedoch nicht, ohne zuvor noch das typisch "Welcome to fabulous (natürlich ist in Amerika alles "fabulous", "great", "gorgeous" oder "amazing"!) Las Vegas"-Schild zu besichtigen. Im alten Teil von Las Vegas sind die Leuchtreklamen noch mit Glühbirnen oder Neonröhren versehen und die Straßen versprühen einen ganz anderen Charme. Ich fühle mich wie in einem alten Hollywood-Film oder als wenn ich einen "Time-Warp" gemacht hätte. Beeindruckend.

Auf der Fremontreet geht es zur Lichtshow. Davor singt, der wohl tatsächlich noch lebende, Elvis und sorgt für Stimmung auf der Straße. Über unseren Köpfen sausen alle paar Menschen an der "Slot Zilla" Zoomline im "Supermanstyle" (also horizontal schwebend) vorüber. Ihre Reise, die 45 US$ kostet, 34.7 Meter hoch und 533 Meter lang ist, ist somit kurz aber wohl unvergesslich. Dann verlöschen alle Lichter und die riesige LED-Wand über unseren Köpfen beginnt im Takt der Musik zu erstrahlen. 10 Minuten später ist alles vorbei und Elvis nimmt seine Arbeit wieder auf. Wir aber müssen leider weiter. Im Rhythmus der Rock´n´Roll-Musik geht es auf zum Bus, der uns noch an den Wedding Chapels (darunter auch die bekannteste, die "Little White Chapel", die so belebt ist, dass man hier nur noch über Kontakte oder nach langer Wartezeit heiraten kann) vorbei und dann zurück zum Hotel fährt. Wir erfahren noch, dass Heiraten in Vegas nur um die 70 $ kostet und eine Scheidung, die heute meist online abgewickelt werden kann, ebenso günstig ist. Außerdem hören wir, dass das Standesamt in Vegas 24 Stunden, 7 Tage die Woche geöffnet ist, damit heiratswillige hier bestätigen können, dass sie noch nicht verheiratet sind und Vielehe somit vermieden wird, was in einem "Mormonenstaat" schon etwas seltsam anmutet.

Nach diesem ausgefüllten und eindrucksreichen Tag falle ich todmüde ins Bett. Licht aus heißt es daher jetzt in Vegas. Zumindest in meinem Zimmer!

4. Tag

Las Vegas - Zion Nationalpark - Bryce Canyon Nationalpark

Die Drei-Länder-Tour - Von Nevada über Arizona nach Utah

oder: geringelte Felsen, gestreifte Hörnchen, Mormonenbier und Einpackservice

Heute geht es nach dem Frühstück auf zu den Nationalparks. Das bedeutet, dass wir zunächst ein Stück von Arizona durchfahren und dann nach Utah gelangen, wo der Zion und der Bryce Canyon Nationalpark auf uns warten.

Auf der Fahrt zieht sich der Himmel deutlich zu und es beginnt es zu regnen. Schwülwarm bleibt es dennoch. Vom Erdboden erhebt sich dampfend der Nebel und schwebt in kleinen Wolken vor den rot-bräunlichen Gebirgszügen. Als wir nach Utah einfahren müssen wir die Uhren eine Stunde vorstellen, denn obwohl wir nicht die Zeitzone wechseln, gibt es hier keine Sommerzeit, so dass die Verschiebung zustande kommt.

Unser erster Stopp erfolgt an einem Supermarkt. Wir versorgen uns für den Tag, denn eine Mittagspause ist heute nicht vorgesehen. Wieder bietet der Markt alles, was das Herz begehrt und noch viel mehr. Es fällt mir erstmalig auf, dass auf den Preisschildern immer auch Sonderangebote offeriert werden, wenn man vier gleiche Produkte erwirbt. Auch stelle ich fest, dass es Getränke kaum in Einheiten unter zwei Liter zu erwerben gibt. Unglaublich! An der Kasse wieder freundlicher Einpackservice (bagging).

Auf unserem Weg zum Zion Nationalpark regnet es wieder. Leider ist auch der Himmel grau, so dass die Steine des Parks sich auf den Fotos nicht rot leuchtend gegenüber einem blauen Hintergrund werden abheben können. Schade. Als wir in den Nationalpark einfahren, können wir uns zunächst im Visitor Center kurz informieren. Hier läuft auch ein Film über den Park, für den ich jedoch leider nicht genügend Zeit habe. Ich schlendere kurz durch die Ausstellung und sehe typische Produkte und Traditionen der Indianer, Lebens- und Ernährungsgewohnheiten sowie ein paar Informationen zu Flora und Fauna. An der Wand findet sich eine Tafel auf der steht, wann die täglichen Wanderungen mit den Rangern stattfinden. Ich bedauere, dass ich hier nicht etwas länger verweilen und an einer solchen Wanderung teilnehmen kann, denn die Berge sind imposant und Flora und Fauna würden sich deutlich stärker erschließen, als beim einfachen Hindurchfahren. Nicht umsonst heißt es ja auch "be-wandert" sein. Naja, so "er-fahre" ich den Nationalpark also heute zunächst einmal.

Um das Zentrum des Parks zu erreichen müssen wir einen 1.7 km langen Tunnel durchfahren, der nur einseitig passierbar ist. Die Autos auf der einen Seite müssen also warten, bis der Strom der Autos, die von der gegenüberliegenden Seite kommen, abgerissen ist. Damit klar ist, wann das der Fall ist, erhält jeweils das letzte Auto einen weißen Stab von den Rangern. Sobald der Fahrer mit dem Stab den Tunnel verlässt, können die Fahrer auf der anderen Seite losfahren. Im Tunnel finden sich immer wieder Aussparungen, durch die man wundervolle Blicke auf das Gebirge hat. Ich fühle mich an die ehemalige Wildwasserbahn „Stonewash Creek“ im Freizeitpark Phantasialand erinnert. In "Holzstämmen" fuhr man dort durch eine Canyon-Landschaft im Western-Themengebiet, bevor man 12 Meter in die Tiefe stürzte. Erst jetzt wird mir richtig deutlich, wie gut die Erbauer tatsächlich recherchiert hatten und wie wirklichkeitsnah diese "Plastik-Landschaft" eigentliche gestaltet war.

Als wir den Tunnel verlassen, eröffnet sich ein atemberaubendes Panorama. Die Sandsteinberge leuchten, bedingt durch den Regen, in teils intensivem Rot. Dazwischen mischen sich gelbe Anteile. Bis an die Baumgrenze geht es die Serpentinen hinauf, immer wieder unterbrochen von Fotostopps an schönen Aussichtsplätzen. Oben ist der Fels weniger schroff. Mehr plattenartig legt sich das Gestein wie ein Fächer aufeinander. Die typischen "Ringel" sind deutlich zu erkennen. Unglaublich.

Schon kurze Zeit später verlassen wir den Zion Nationalpark und machen uns auf den Weg zum Bryce Canyon. Auf dem Weg halten wird nochmals, um den Bus zu betanken und einen Kaffee kaufen zu können. Vor dem Shop bietet sich die Gelegenheit, sich mit diversen Indianern und einem Cowboy ablichten zu lassen. Auch im Inneren des Shops finden sich noch zwei Kuriositäten: "Evolution Amber Ale" und "Polygamy Ale" stehen hier friedlich Seite an Seite. Während sich auf dem Etikett des "Polygamy" ein Jüngling lasziv mit mehreren Frauen im italienischen Renaissancestil räkelt, zeigt "Evolution" das Fortschreiten der Entwicklung vom Affen über den Menschenaffen hin zum Bier trinkenden Menschen. Draußen sehe ich seltsam anmutende, hängende, mit Flüssigkeit gefüllte Behälter. Während ich noch überlege, wozu diese wohl dienen, kommt ein Kolibri angeflogen. Wow. Noch nie habe ich einen Kolibri in freier Natur gesehen. Wahnsinn, wie schnell sie ihre Flügel bewegen. Tatsächlich viel zu schnell, um vom menschlichen Auge dezidiert wahrgenommen zu werden. Die Bewegung der Flügel in Form der Unendlichkeitsacht demnach natürlich auch nicht. Viel zu schnell ist der kleine Kolibri wieder verschwunden und lässt sich auch so schnell nicht mehr blicken.

Als wir wieder im Bus sitzen fahren wir vorbei an einem Felsen mit riesigen Zahlen. Fred erklärt, dass alle Abiturienten des Ortes hier mit der Jahreszahl vermerkt werden. Das "V" am Felsen steht für "Victory", Erfolg, denn es ist nicht vielen Menschen der Region bisher vergönnt gewesen, diesen Bildungsabschluss zu erwerben. Wie bahnen uns weiter unseren Weg zum Bryce Canyon. Dabei erfahren wir von Fred, dass der Bryce Canyon seinen Namen von Ebenezer Bryce erhielt, einem Mormonen, der im Alter von siebzehn Jahren seine schottische Heimat Richtung Nordamerika verließ. Er beteiligte sich am Bau eines Bewässerungssystems und einer Straße zum Holzabtransport in den Bergen. Die Einwohner nannten die Felsformation am Ende dieser Straße Bryces Canyon

Ich lassen meinen Blick wieder über die Landschaft schweifen. Unglaublich, wie sich hier die ehemaligen Ablagerungen vom Meeresboden über die Jahrmillionen in die Höhe geschoben haben. Wir sehen die "Hoodoos", die turmartige Gebilde aus Sedimentgesteinen, und die sogenannte "Salz- und Pfeffermühle". Beim Fotostopp am "Red Canyon Vistor Center" im Dixi National Forest haben wir Zeit für Bilder und ein klein wenig Naturgenuss. Die Pflanzen verströmen hier einen gigantischen, ätherischen Duft. Ich versuche herauszufinden, von welcher Pflanzer er herrührt, doch dies kann ich nicht erschließen.

Zum Abschluss bleibt noch Zeit für ein Foto mit dem Rangerbär am Eingang des Centers. Den Namen "Dixi Forest" erhielt das Gebiet im Übrigen von den mormonischen Siedlern, die von den Südstaaten (genauer, der Mason-Dixon Linie) in den Südwesten von Utah zogen, um dort Baumwolle anzubauen, um Kleidungsmaterial für die Kirchenmitglieder bereitstellen zu können. Das warme Klima und die neu angelegten Baumwollfelder erinnerten sie an ihre Heimat. So entschieden sie sich den Kosenamen ihrer Region mit der neuen Heimat zu teilen: "Utah Dixi".

Auf 7.777 Fuß (ca. 2.370 m) über dem Meeresspiegel eröffnet sich eine weite, grüne Ebene. In der Ferne sieht man, dass die Wolkendecke über einigen Bergen aufreißt und helle Lichtspots auf diese wirft. Über die Ebene ziehen grau-weiße, Wattebausch ähnliche Wolken langsam vor einem sich wieder etwas blau färbenden Himmel. Wir passieren den Bryce Canyon Airport. Ein Notflughafen, an dem Rettungsflugzeuge landen können. Fred erklärt, dass hier viele Menschen durch Blitzschläge ums Leben kommen. Auch viele Büsche sind durch Blitzeinschläge zerzaust oder zerstört und strecken verkohlte Äste in die Luft. Zahlreichen Bäumen fehlt hier die Krone. Das gerade hier so viele Blitze einschlagen ist dadurch bedingt, dass der Boden viel Eisenerz aufweist und dadurch die Blitze anzieht.

An unserer Unterkunft für heute vorbeifahrend, erreichen wir den Eingang des Bryce Canyon Nationalparks. 8.300 Fuß (also 2.529.84 Meter) hoch befinden wir uns nun und können vom Aussichtspunkt aus die vielen Hoodoos bewundern. Sie besitzen ein charakteristisches "Profil", das heißt, der Umfang eines solchen mehr oder weniger runden Felsenturms nimmt vom Fuß zur Spitze in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zu und wieder ab. Die daraus resultierende Form erinnert an einen Totempfahl. Ursächlich für diese Gestalt ist der Aufbau aus unterschiedlich harten Sedimentschichten. Insbesondere die Spitze besteht aus einer solchen harten Schicht, die die Felsnadel vor Erosion von oben weitgehend schützt. Weil in den verschiedenen Schichten verschiedene Minerale eingelagert sind, ändert sich auch die Farbe der Hoodoos mit der Höhe, meist zwischen Weiß und verschiedenen Rottönen. Da die Sonne nun endlich hervortritt, bietet sich ein unglaubliches Farbenspiel, das die schönsten Fotos entstehen lässt. Von einer Plattform auf einem Felsvorsprung blickt man in die Tiefe und eine fast unendliche Weite. Zudem erblicke ich einige, sehr süße und zutrauliche Streifenhörnchen, die sich fotogen in Pose werfen. Es folgen noch zwei weitere Stopps, die uns unfassbare Ausblicke ermöglichen. Gorgeous!

Mit diesen Eindrücken geht es um kurz nach sechs in unsere heutige Unterkunft, die "Bryce View Lodge". Viele zweistöckige, langgezogene Häuser mit Namen wie "Pondarosa" und "Deer Lodge". Es gibt einen Supermarkt, zwei Restaurants, einige Souvenirläden, Ausstattung für Outdoor Aktivitäten und viel Westernbedarf. Die Zimmer sind großzügig sowie sauber und zweckmäßig ausgestattet. Einzig der Geruch in den Zimmern ist etwas muffig und lässt sich auch nach intensivem Lüften so leicht nicht vertreiben. Aber in den bequemen Betten lässt sich die Nacht sicherlich gut verbringen.

5. Tag

Bryce Canyon Nationalpark - Page/Lake Powell - Grand Canyon Nationalpark - Grand Canyon/Williams

Von Ruby zu Fred

Über atemberaubende Seen und Schluchten, Mormonen, Quäkern, Hopi und gemalte Wüsten.

Als ich am Morgen vor die Tür trete ist es zum ersten Mal auf dieser Reise frisch. Von den Dächern tropft der Tau und auf den Wiesen lastet das kühle Nass, welches verheißungsvoll unter den ersten Sonnenstrahlen schimmert. Auf dem Weg zum Frühstück ziehe ich mir einen Pullover über mein T-Shirt. Über den Bergen steigt der Nebel auf, während ich zum "Ruby´s Inn" abbiege, um dort zu Frühstücken. Bei "Ruby" erschallt Westernmusik durch die Lautsprecher und über dem Eingang zum Frühstücksraum steht in dicken Westernlettern "Cowboy´s Buffet". Tatsächlich ist das Restaurant im Westernstil gehalten: Helles, grobes Holz an Decken und Wänden. Das Büffet bietet wieder viel Süßes. Toast muss man zusätzlich bei der Bedienung ordern. Aufschnitt gibt es nicht. Auch Toppings zu den Pancaces sucht man heute vergeblich. Rührei, Bacon, Kartoffeln, eine salzig-pfefferige Soße, die zusätzlich einige Wurststücke aufweist, für die Scoons, Bohnen und Salsa-Soße gibt es. Während ich meinen Kaffee trinke, informiere ich mich ein wenig über die Mormonen. 63 % der Bevölkerung von Utah gehört diesem Glauben an. Damit ist es das einzige Bundesland, das eine deutliche Mehrheit einer einzelnen Religionsgemeinschaft aufweist. Grundlage der Religion ist das Buch "Mormon". Es beschreibt - ergänzend und fortsetzend zur Bibel - die Besiedlung Amerikas und die Geschichte vergangener amerikanischer Kulturen.

Nach dem Frühstück steigen alle zügig in den Bus und wir fahren dem Grand Canyon entgegen. Der morgendlichen Nebel steigt von den taunassen Wiesen an den Bergen empor und taucht die Landschaft in einen geheimnisvollen Schleier. An der Straße entlang schlängelt sich ein malerischer Creek und die blau-grün-graue Landschaft wird nun szenisch von der durch die Wolken brechenden Sonne beleuchtet. Nach und nach färbt sich der Himmel strahlend blau und ermöglicht das Hervortreten der leuchtenden Komplementärfarbigkeit der roten Berge zum blauen Himmel und zu den grünen Wiesen. Traumhaft. Auf der Busfahrt erfahren wir von Fred noch etwas mehr über die Mormonen, z. B., dass Joseph Smith mit einigen Freunden das Buch der Mormonen geschrieben habe, weil die Menschen um ihn herum keinen Sinn und keinen Halt im Leben hatten, welchen sie ihnen durch ihre neue Religion haben geben wollen. Besonders aber sei ihr Unternehmen von wirtschaftlichen Interessen geprägt gewesen. Die "heiligen der letzten Tage" hätten sich dann mit Joseph Smith, der die Idee entwickelt hatte, einen eigenen Propheten und verkündeten ihren Glauben. Jedoch habe sich der Glaube zunächst nur mühsam verbreitet. So habe Smith die Idee gehabt, die Verbreitung des Glaubens über große Familien mit vielen Kindern voranzutreiben und dazu auch Polygamie zu nutzen. Der Plan sei aufgegangen und in kurzer Zeit hätten sich die Glaubensanhänger vervielfacht. Die Männer mit ihren vielen Frauen seien zum großen Vorbild für die Junggesellen geworden, was die Religionsgemeinschaft rasch vergrößert habe. Dies habe dazu geführt, dass bei der Familiengründung auch keine Rücksicht mehr darauf genommen worden sei, ob eine Frau bereits verheiratet war. Dies jedoch habe zu Problemen geführt. Die gekränkten Ehemänner hätten die Mormonen verfolgt, besonders deren führende Köpfe, und man habe überlegen müssen, wie man der Verfolgung entkommen konnte. Sollte man in Richtung Kanada fliehen, obwohl dort bereits die Franzosen siedelten und die Winter sehr hart waren oder den Weg in den Westen wagen? Joseph habe sich für Letzteres entschieden und sei mit den Glaubensbrüdern losgezogen. Da ihn jedoch finanzielle Probleme drückten, habe er Schwarzgeld produziert, was nicht lange unentdeckt geblieben sei. Er wurde verurteilt und gefangen genommen. Im Gefängnis sei er schließlich von den betrogenen Ehemännern gelyncht worden.

Nach der Ermordung von Joseph Smith habe Brigham Young die Führung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage übernommen. Er habe sich als neuer Prophet vorgestellt und das Volk weiter nach Westen geführt, da es dort fruchtbaren Boden und einen weiteren Ozean namens Pazifik geben sollte. So habe Young die Menschen an den großen Salzsee in Utah gebracht. Die Mormonen hätten sich intensiv dort intensiv um den Aufbau des Landes gekümmert, weshalb es ihnen gelang, den Staat mit viel Arbeit zu errichten.

Fred informiert uns, dass die Mormonen im Laufe der Zeit einen enormen Einfluss auf Wirtschaft und Politik in Amerika entwickelt hätten, da sie sehr geschäftstüchtig seien.

Insgesamt, so klärt Fred uns auf, lebten etwa 28.4 Millionen Mormonen in den USA und Kanada. Die Zahl jedoch sei jedoch geschätzt, da in den USA keine Kirchensteuer abgegeben werde und auch keine Meldung der Religionszugehörigkeit erfolge. Von der Hauptkirche werde Polygamie inzwischen nicht mehr gefördert. Auf dem Land sei diese unter den Mormonen jedoch noch sehr verbreitet.

Auch über die Auswanderungsgründe der Quäker klärt uns Fred auf, während wir durch die farbenreiche und sich beständig wandelnde Landschaft fahren. Fred berichtet von William Penn, der als Admiralssohn und studierter Theologe und Jurist, die zahlreichen Besitzungen seiner Familie in England und Irland verwaltete. Er kam dann mit der Quäkerberwegung in Kontakt und wurde zu deren bekanntestem Sprecher. Sei Vater verstieß ihn wegen seines Glaubens und Penn wurde in England mehrmals aufgrund dessen inhaftiert, da in England um im 17 Jahrhundert eine sehr eingeschränkte Religionsfreiheit herrschte. Trotz des Freiheitsentzugs blieb Penn den Quäkern treu und setzte sich für religiöse Toleranz und politischen Liberalismus ein. Penn begann schließlich ein Modell für eine Quäkersiedlung in Nordamerika zu entwickeln, da man dort in Freiheit leben und die eigene Religion ungestört ausleben konnte. Fred berichtet, dass der englische König Penn das ehemalige Indianerland gegeben habe, im Internet finde ich jedoch die Variante, dass König Karl II. im Jahre 1681 eine größere Geldschuld nach dem Tod von Penns Vater beglich, indem er Penn ein riesiges Gebiet in der nordamerikanischen Wildnis vermachte und ihn zum dortigen Gouverneur ernannte. Dem Gebiet wurde der Namen Pennsylvania als Ehrung für Admiral Sir William Penn, Penns Vater, gegeben. Wir gelangen nach Arizona, dem der Beiname Valentinsstaat gegeben wurde, da Arizona am Valentinstag, also am 14. Februar, des Jahres 1912 als 48. Staat in den Staatenbund aufgenommen.

Dann öffnet sich die Landschaft zum Lake Powell. Ein beeindruckender, strahlend aquamarinblauer Stausee, der inmitten der roten Berge und Hügel liegt. Wie auf Wikipedia zu lesen ist "entstand er Mitte der 1960er Jahre durch Aufstauung des Colorado an der Ostseite des Grand Canyon und entwickelte sich auf Grund vielfältiger Freizeitangebote um den See und zahlreicher Sehenswürdigkeiten im Umland zu einem beliebten Urlaubsziel. Niederschlagsarme Jahre und eine verstärkte Wasserentnahme lassen den Wasserpegel des Sees seit Jahren stetig sinken. Bei maximaler Stauhöhe hat er eine Länge von rund 300 km, ist am Damm 171 m tief und bedeckt eine Fläche von 653 km². Mit rund 33,3 km³ Wasser überflutet der Lake Powell dann 96 Canyons." Selbst nach sechs niederschlagsarmen Jahren findet sich noch rund ein Drittel des Wassers im Stausee.

Zum Fotostopp halten wir am Staudamm des Sees, von wo aus wir einen atemberaubenden Blick auf die Landschaft haben. Tief unter uns ziehen Motorboote ihre Kreise über den See. Ach, wie schön wäre es jetzt Zeit für eine Bootsfahrt auf dem See zu haben, hat man doch vom Wasser aus immer einen ganz anderen Blick auf die Umgebung. Leider ist unser Zeitkontingent knapp und lässt es nicht zu, dass wir uns treiben lassen.

Weiter führt unser Weg durch das Land der Walapai, Havasupai, Hopi, Navajo und Kaibab Indianer, begleitet von den meditativen Klängen traditioneller Indiomusik. Die Landschaft wird wieder trockener. Auf der rotbraunen Erde finden sich nur noch struppige graugrüne und smaragdfarbene Büschel. Über uns ein makelloser Himmel mit ein paar Cumulus- und wenigen Cirruswolken. "Painted Dessert", gemalte Wüste, wird die Landschaft genannt, die in den kräftigsten Farben leuchtet und von den vorüberziehenden Wolken und der Sonne immer wieder in unterschiedliche Schattierungen getaucht wird.

Zwei Stunden später erreichen wir den Grand Canyon, die etwa 450 Kilometer lange, zwischen 6 und 30 km breite und bis zu 1800m tiefe Schlucht im Norden des US-Bundesstaats Arizona, die während Jahrmillionen vom Colorado River ins Gestein des Colorado-Plateaus gegraben wurde. Schon von der Straße aus werfen wir einen ersten Blick auf das riesige Gebiet und sehen die unüberwindbare Felsspalte. Ein gigantisches Naturschauspiel. Jedes Jahr besuchen rund fünf Millionen Menschen dieses Naturschauspiel.

Der Name Grand Canyon für groß und großartig wurde 1869 von John Wesley Powell geprägt, der mit Holzbooten 1869 den Colorado River durchkreuzte, erstmals genaue Karten anfertigte und dem Canyon schließlich auch seinen Namen "Grand Canyon" gab.

Als wir aus dem Bus aussteigen, haben wir den Aussichtspunkt "Desert View" am "South Rim" des Canyons erreicht. Es eröffnet sich eine atemberaubende Sicht auf den riesigen Canyon. Obwohl hier alle Touristen wie besessen versuchen ihre Erinnerung per Video oder Foto, was natürlich auch ich versuche, stellt sich die Erkenntnis ein, dass Bilder hier, wie so oft, das Erleben nicht abbilden können. Dennoch positioniert sich hier jeder Besucher mindestens für ein Foto - wahlweise als Selfie oder fotografiert durch Mitreisende oder einen der Besucher, die sich hier diesbezüglich häufig ansprechen - allein, mit Freunden oder der Familie vor der irreal wirkenden Szenerie der Landschaft.

Im Shop gibt es neben zahlreichen Indianerprodukten auch schöne Nachdrucke historischer Ansichtskarten zu kaufen und einen "Canyon-Passport". In dem Pass kann man Stempel von verschiedenen Aussichtspunkten rund um den Rand des Canyons sammeln. Viele Touristen und Kinder stempeln an einem kleinen Tisch bereits den Turm des "Dessert View“"in ihr Heft. Wie schön, dass es noch ganz analoge und dennoch reizvolle Aktivitäten gibt!

Auch hinter dem Shop findet sich eine grandiose Aussicht. Über mir ziehen Kondoren ihre kreischend ihre Kreise, während ich mich wieder auf den Weg zum Bus mache.

Eine halbe Stunde später fahren wir weiter zum nächsten Aussichtspunkt am Südrand. Der Himmel ist beeindruckend und scheint unendlich weit. Die Wolken ziehen wie Zuckerwatte über das helle Blau. Weil wir uns so weit oben befinden scheinen sie fast zum Greifen nah. "I believe I can fly!"

Am "Grand Canyon Village" haben wir drei Stunden Zeit, die Landschaft zu genießen und am Rim, also dem Rand entlang, entlang zu spazieren. Außerdem finden gibt es Darbietungen indianischer Tänze, Gift-Shops und das historische Kolb Studio zu besichtigen. Die Kolb Brüder filmten und dokumentierten damit erstmalig den Grand Canyon. Mit dem Film und ihren Vorführgeräten, die man im Kolb Studio ebenfalls bestaunen kann, bereisten sie die USA und machten das Naturschauspiel den Menschen im Land so erlebbar.

Ich betrachte voller Bewunderung die Berge, die in den unglaublichsten Farben schillern: neben Rot, Gelb, Ocker und Braun finden sich hier auch Lila- und Grüntöne im Stein.

Wir warten auf jene Ausflügler warten, die mit dem Hubschrauber für 215 € eine halbe Stunde über die Landschaft schweben. Während ich also warte, sitze ich am Canyon und schwinge auf einer hölzernen Hollywoodschaukel über die Terrasse eines Giftshops. Dabei genieße ich den phantastischen Ausblick auf den Canyon.

Schließlich laufe ich noch etwas am Rim entlang und beobachte, wie die Besucher kuriose Fotos machen, auf denen sie sich in Gruppen inszenieren, in die Luft springen oder so tun, als würden sie von der Kante in den Canyon springen oder fallen. Das muss ich natürlich auch mal ausprobieren!

Nachdem die Ausflügler mit dem Bus zurückkommen, steuern wir einen letzten imposanten Aussichtspunkt im Park an und fahren dann zu unserer Unterkunft, weit ab von jeglicher Zivilisation, das "Grand Canyon Inn". Es ist sehr ähnlich gestaltet wie unsere letzte Unterkunft, jedoch sind die Zimmer mit hellem Holz ausgestattet und etwas freundlicher. Die Betten bestehen aus Holzstämmen und geben der Unterkunft einen rustikalen Charme. Das WLAN ist etwas behäbig, das Fenster lässt sich nicht öffnen und die Klimaanlage arbeitet deutlich vernehmbar, aber grundsätzlich ist hier alles funktional und bequem eingerichtet. Ich öffne die Tür, um zu Lüften. Da ich Parterre wohne, und vor den Zimmern der Gehweg angelegt ist, passieren immer wieder andere Gäste und blicken neugierig hinein, was etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit der Zeit auch ganz interessant ist, da ja auch ich beobachten kann.

Etwas später zieht es mich dann nochmal hinaus aus dem Zimmer, um etwas zum Essen zu kaufen. Die Umgebung ist schnell erkundet: Eine Tankstelle mit Giftshop und Minimarkt, ein Restaurant und auf der gegenüberliegenden Straßenseite "Flinstones Campground" mit "Fred´s Diner". Ich wechsele die Straßenseite, um einen Blick ins Diner zu werfen. Schon einige Meter entfernt schallt mir die Stimme Fred´s verzerrt entgegen, so dass ich nicht verstehe, was genau er sagt. Der Campingplatz macht, so von der Nähe betrachtet, einen etwas gruseligen Eindruck. Das Diner erweist sich als menschenleerer Shop mit Snackbar. Nur Fred´s Stimme vom Tonband schallt durch die Dunkelheit. Alles erinnert an einen verlassenen Vergnügungspark, der seine besten Zeiten schon hinter sich hat. Die Szenerie würde sich sicherlich auch für einen Film von King eignen, denke ich noch, während ich mich entscheide, auf einen Besuch in diesem Diner zu verzichten und mich wieder der anderen Straßenseite zuzuwenden.

Während über mir die Sterne am Himmel aufziehen, die hier, im Vergleich um lichtverschmutzten Las Vegas noch ganz klar zu erkennen sind, begebe ich mich zurück in mein Zimmer.

6. Tag

Grand Canyon - Route 66 - Joshua Tree Nationalpark - Palm Springs

Von Seligman über die Route 66 nach Joshua Tree und Palm Springs

Oder: zu Besuch bei einem Angel, in der Halle des Horrors und in verborgenen Tälern

Frühstück gibt es heute "Continental". Kaffee ,Orangensaft, dazu zwei Toasts, ein Burger-Bratling, Bratkartoffeln, Rührei und eine halbe Scheibe Orange als Dekoration! Ein für meinen Magen sehr gewöhnungsbedürftiger Start in den Tag, aber ich hatte ja in den vergangenen Tagen bereits Zeit mich mit (und meinen Magen) mit den amerikanischen Essgewohnheiten vertraut zu machen. Lecker jedenfalls sind alle servierten Produkte auf meinem Frühstücksteller.

Eine knappe Stunde später sitzen wir wieder im Bus. Heute stehen der Weg Seligman, die Route 66, der Joshua Tree Nationalpark und Palm Springs auf dem Programm.

Nach einer knappen Stunde halten wir in Seligman, einem kleinen, historischen Ort an der Route 66. Dort besichtigen wir Angel´s Barber Shop, den (Wieder-)Geburtsort der historischen Route 66. Für mehr als 50 Jahre war die Route 66 die Hauptverkehrsstraße im Norden Arizonas und führte täglich viele Menschen und tausende von Autos durch Seligman. Als jedoch am 22. September 1978 die neue Interstate 40 eröffnet wurde, verschwanden die Menschen, die sonst in den Ortschaften entlang der Route 66 gehalten hatten, um zu essen, zu trinken, zu tanken oder zu übernachten, verschwanden von einem Tag auf den anderen. Die Geschäfte wurden geschlossen, die Menschen zogen weg, Gebäude wurden verlassen, bis der Barbershopbesitzer Angel Delgadillo genug davon hatte zuzusehen, wie der Ort verfiel. 1987 organisierte er ein Treffen, um die "Historic Route 66 Association" zu gründen, dessen Präsident er wurde.

Bald wuchs ein nostalgisches Interesse an der Strecke. Menschen begannen Route 66 Souvenirs zu verlangen. So begannen Angel Delgadillo und seine Frau erste Souvenirs zu verkaufen. Immer mehr Menschen kamen, um die historische Strecke zu fahren, das nostalgische Amerika zu sehen und die kleinen, einzigartigen Orte entlang der Strecke zu bewundern.

Heute ist Angel´s Barber Shop, zwar kein Friseurladen mehr, aber ein Souvenirladen mit Besucherzentrum. Das Besondere dürfen wir live erleben: Der 88-jähige Angel Delgadillo steht selbst in seinem historischen Friseursalon und wer mag darf auf seinem alten Friseurstuhl Platz nehmen und ein Foto mit ihm machen. Er ist unglaublich freundlich, zugewandt und geduldig. Alle Besucher begrüßt er mit Handschlag und strahlt eine ganz authentische Freude über die vielfältigen Kontakte aus.

Besonders ist jedoch auch der Shop an sich. Hier finden sich tausende von Visitenkarten, mit Namen versehenen Geldscheinen und Autokennzeichen von ehemaligen Gästen aus aller Welt, die den gesamten Laden an Wänden und Decken bedecken. Absolutely Astonishing!

Vor dem Haus sieht man Aufsteller von Autos aus der Disney-Pixar-Produktion "Cars". Gleich erinnere ich mich an die Geschichte des Films, die davon handelt, dass ein junger Rennwagen durch Zufall auf die Route 66 gerät und in einem verlassenen und verfallenen Ort strandet. Mit den zunächst verschlossenen und störrisch wirkenden alten Autos des Ortes freundet er sich schließlich an, macht sie zu seinem neuen Rennteam und gewinnt ein großes Rundrennen. So kann er durch seinen Ruhm wieder Menschen in den verlassenen Ort führen und diesen wiederbeleben. Die Geschichte ist also ganz ähnlich zu jener echten von Angel Delgadillo. Dass dies seine Gründe hat, erfahre ich hier heute in Seligman. Angel Delgadillo wurde nämlich vom Filmproduzenten John Lasseter während seiner Recherchen entlang der Route 66 besucht. Lasseter führte ein Interview mit Angel Delgadillo über dessen Leben, welches dabei half, die Geschichte des Films zu gestalten.

Mit dem Bus bewegen wir uns von der der Route 66 dann doch auf die Interstate 40 und setzen unsere Reise fort, die uns bald in das dörre, gelb-ockerfarbene Wüstengebiet führt. Im Hintergrund verblauen die Berge und gehen am Horizont fast nahtlos in den Himmel über. Wir fahren auf einer scheinbar endlos langen, geraden Straße unter topasblauem Himmel, der über der linken Bergkette mit einigen weißen Cumuluswolken gesäumt ist. Gigantische Weiten!

Wir erfahren noch von Fred, dass hier in der Wüste Bergbau betrieben wird: Kohle, Eisenerz, Uran, Kupfer und Halbedelsteine werden abgebaut. Dann erreichen wir die Staatsgrenze zu Kalifornien. Neben uns schlängelt sich nun der Colorado River und die Außentemperatur steigt auf 111 °F, zu der noch die Reflexionstemperatur gerechnet werden muss, so dass wir etwa 115 °F messen und damit 46 °C.

Als wir mitten im Nirgendwo stoppen, schlägt mir die Hitze beim Aussteigen aus dem Bus entgegen. Es ist wirklich sehr warm, aber erstaunlicherweise wieder einmal weniger unerträglich, als ich vermutet hatte.

Auf der Straße ist das Logo der Route 66 Schilder aufgebracht. Eine historische Leuchtreklame und eine ebensolche Tankstelle finden sich neben uns. Alles versprüht hier eine morbiden 50th Charme. Die Bilder, die sich mir bieten, könnten aus einem Hochglanzbildband über Kalifornien entnommen sein. Der topas- und hell-azurfarbene Himmel vor hellblau und weiß gestrichenen Gebäuden bietet Fotomotive, wie sie phantastischer nicht sein könnten. Die Klarheit der Farben und Formen verströmt eine schlichte Eleganz. Und obwohl Edward Hopper an der Ostküste der USA gelebt und gearbeitet hat, erinnern mich die visuellen Eindrücke doch irgendwie an seine Bilder.

Durch die sengende Hitze und die kahle Landschaft mit dem jetzt sandigen grau-beigen Boden und den nur noch selten grünen Büschen fahren wir weiter zum Joshua Tree Nationalpark. Über uns zeichnen wieder einige Wolken die Landschaft durch ihren Schattenwurf. Kleinste hellrosa und gelb gestrichene Häuser finden sich vereinzelt in der nun mit zahlreichen Kakteen durchsetzten Wüste.

Dann passieren wir den Eingang zum Joshua Tree Nationalpark, der 1936 zum National Monument und 1994 zum Nationalpark erklärt wurde. Mormonen, die einst die Mojavewüste durchquerten, gaben dem Park seinen Namen. Sie erkannten in den Bäumen die Gestalt des Propheten Joshua, der mit ausgestreckten Armen den Israeliten den Weg ins gelobte Land wies. Diese Kakteenbäume, die sich überall im Park finden und deren Stamm wahlweise baumrinen- oder palmenartig strukturiert ist, während sich auf den Zweigenden grüne, rasiermesserscharfe Stachelbüschel befinden, werden daher auch "Joshua Trees" genannt. Sie sind die größte Art der Gattung der Palmlilien (Yucca). Dazu zeigen sich im Hintergrund "Gesteinshaufen" aus abgerundeten beige-sandfarbenen Steinen, die sich gegen den jetzt wolkenlos stahlblauen Himmel strecken. Eine ganz andere Naturlandschaft, als diejenigen, die wir bis jetzt er-fahren haben, tut sich auf. Eine unglaubliche Vielfältigkeit.

Wir halten am "Skull Rock", einem Stein, der wie ein Schädel geformt ist. Bevor wir aussteigen erhalten wir von Fred noch den guten Rat, uns auf den Wege aufzuhalten, um nicht ungewollt in Kontakt mit der Fauna zu geraten, denn Skorpione, Schlangen und Vogelspinnen sind hier beheimatet. Zum Glück bleibt mir diese Begegnung erspart. Eine Zeit, zu der wir wieder am Bus sein müssen erhalten wir diesmal nicht, Fred meint, wir würden schon "von alleine zurückkommen". Damit behält er Recht. Für einen ausgedehnten Spaziergang ist es wirklich zu warm, wenngleich man schon auf ein paar Felsen klettern muss um die gigantischen Gesteinsformationen in Gänze genießen zu können.

Beim nächsten Halt, an der „Halle des Horrors“, erhalten wir „nur“ 20 Minuten Aufenthaltszeit. Fred will doch nicht riskieren, dass jemand sich übernimmt und einen Kreislaufkollaps erleidet. Wieder bietet die Natur unglaublich schöne und einmalige Bilder. Trotz der Hitze werden wieder zahlreiche Steine erklommen, um den bestmöglichen Blick zu erhaschen oder sich für ein Foto in Szene zu setzen. Den letzte Halt im Joshua Tree National Park legen wir am "Hidden Valley" ein. Eine "Miniaturwelt", wie die Naturforscherin Peggy Larson es nannte. Im "verborgenen Tal" herrscht ein Mikroklima, da das Tal von Bergen umschlossen wird und den Wind abhält. So können sich dort auch besondere Gerüche entfalten und besondere Tier- und Pflanzenarten gedeihen lassen.

Im Anschluss geht es auf nach Palm Springs, unsrem heutigen Übernachtungsort. Auf dem Weg dorthin fahren wir vorbei an einem Park aus tausenden von Windrädern, die aus dem 1973 verabschiedeten "U.S Federal Wind Energy Program" hervorgegangen sind, das die US-Regierung unter Präsident Richard Nixon unmittelbar nach der ersten Ölkrise zu Beginn der 70er Jahre ins Leben rief.

Wir passieren den 3.302 Meter hohen San Jacinto Peak im nördlichen Riverside County, Kalifornien. Eine Möglichkeit ihn zu erklimmen ist, mit der Palm Springs Aerial Tramway von der 806 m hoch gelegenen Talstation zur 2.596 m hohen Bergstation zu fahren. Die 1963 eröffnete Luftseilbahn überwindet den Höhenunterschied von 1.791 Metern auf einer Länge von 3.895 Metern und dabei mehrere Klimazonen. Sie ist die größte rotierende (die Standfläche im Inneren dreht sich während der Fahrt um sich selbst) Luftseilbahn der Welt.

Kurze Zeit später erreichen wir Palm Springs. Seit den 1960er Jahren hat Palm Springs den Ruf, eine Erholungsstätte für die amerikanische High Society zu sein. Unser Hotel heißt "The Saguaro", was der Trivialname der "Carnegiea gigantea" ist, des typischen, sehr großen, säulenförmigen Kaktus, der in Kalifornien und Mexico überaus verbreitet und zudem gerade "Kaktus des Jahres" ist.

Von außen und innen ist das Hotel bunt gestaltet und stahlt eine ansteckende Fröhlichkeit aus. Die cremigen Pastellfarben heben sich leuchtend gegen den blauen Himmel ab. Ein wundervoller Anblick. Die Zimmer weisen jeweils eine Grundfarbe auf, wobei Accessoires in der Farbfamilie gehalten sind und sich keine der Farben auf einer Etage wiederholt. Mein Zimmer hat rosafarbene Wände auf. Das Bett ist lila, die Bettwäsche weiß und pink. Auf dem Tisch neben den einladenden Sesseln, die gleich vor der Balkontür stehen, vor der eine transparente magentafarbene Gardine schwingt, liegen Bücher über Architektur und Design. Ich öffne die Balkontür und blicke auf den großen Innenhof des Hotels. Von dort aus kann ich die vielen bunten Balkone der anderen Zimmer betrachten und den phantastischen Ausblick auf den aquamarinblauen Swimmingpool genießen, der mit sonnengelben Liegen umstellt ist.

Von den beiden Alternativen, am Abend noch mit dem Shuttlebus in das Zentrum von Palm Springs zu fahren, um dort den Wochenmarkt zu besuchen, oder entspannte Stunden am Pool zu verbringen, wähle ich das kühle Nass.

Am Pool kann man kostenlos hellblaue Strand- und pinkfarbene Trockentücher leihen, die sich fröhlich auf den zahlreichen, sonnengelben Liegen tummeln. Der Pool ist groß und warm. Die Wassertemperatur unterscheidet sich kaum von der Außentemperatur. Somit ist der Aufenthalt im Wasser zwar nicht unbedingt erfrischend, aber sehr entspannend. Auf dem Wasser treiben zwei überdimensionale Wasserbälle, die farblich das Konzept der Umgebung aufgreifen und ein riesiger Plastikflamingo, der aus einem pinkfarbenen Schwimmreifen und einem gebogenen Hals besteht, der auf der Oberseite des Rings befestigt ist. Ich ergreife die Gelegenheit, als das Plastiktier unbemannt an mir vorbeitreibt und lasse mich auf dem Flamingo nieder. In vollkommener Ruhe gleite ich auf ihm über den Pool. Aus den Lautsprechern ertönt leise Lounge-Musik. Ich blicke über das dreistöckige Hotelgebäude und die zahlreichen Palmen hinweg auf die Bergkette hinter der Stadt. Eine wunderbare Entspannung, bei der ich alle Eindrücke des Tages nochmals Revue passieren lassen kann.

7. Tag

Palm Springs - Visalia

Ein Tag im Bus

oder: Von Hash Browns, Plastikkateen, Live-Stocks, Zitrusfrüchten und Nutrition Facts

Als ich um 6.30 Uhr aufwache, leuchtet die Sonne bereits klar und strahlend vom Himmel. Die Luft ist über Nacht kaum abgekühlt. Auf dem Weg zum Frühstück passiere ich die Hotelkorridore mit den dunkel lilafarbenen, dicken Teppichboden und den vielen bunten Zimmertüren. Im Treppenhaus finden sich kleine Fenster mit Glaseinsätzen in den unterschiedlichsten Farben, die die weißen Wände kaleidoskopartig beleuchten.

Im Frühstücksraum erwarten mich, wie nun schon gewohnt, hash browns, scrambled eggs, bacon, toast, coffee und orangejus. Alles steht in großen Pfannen bereit und kann selbst in der gewünschten Menge entnommen werden. Der Raum ist, wie die Zimmer, sehr designorientiert gestaltet: Auf dem nackten Estrichboden stehen Tische mit dicken Holz- oder Steinmosaikplatten, die auf ein Stahlgestell montiert sind. An den Tischen stehen Kaffeehausstühle im Thonet-Stil. Vereinzelt finden sich Schalenstühle von Eames. Ich setzte mich mit meinem amerikanischen Frühstück an einen langen mit einem schwarz-weißen Mosaik verzierten Tisch und betrachte den künstlichen, knallgrünen Kaktus mit der pinken Blüte, der im Terrakottatopf vor mir steht.

Nach dem Frühstück beschließe ich noch kurz am Pool zu entspannen. In einer der bunt-gestreiften Hängematten betrachte ich den kalifornischen Himmel und die Palmenblätter, die sich leicht im Wind bewegen.

Etwas später steige ich mit meinem Gepäck in den Bus. Heute liegt ein ganzer Reisetag vor uns. Doch zunächst gelangen wir nach kurzer Fahrt zum "Desert Hills Premium Outlet". Fast alle Reisenden kehren nach zwei Stunden Aufenthalt mit gut gefüllten Tüten zurück. Hoffentlich führt das nicht zu Übergepäck auf der Rückreise.

Wir fahren auf Straßen, die bis zum Horizont reichen durch die gelb-gold gefärbten Berge, die sogenannten Golden Hills. In der Ferne steigt Rauch auf und der Verdacht liegt nah, dass sich dort ein Brand im Gebirge entwickelt hat. Fred erklärt, dass die "Santa Ana Winde" häufig zu Selbstentzündungen führen und somit solche Brände auslösen können. Dies geschieht, da der trockene, heiße Wind den Pflanzen das in ihnen gespeicherte Wasser entzieht. Diese Kombination aus Hitze, Trockenheit und Wind führt dann häufig zu Waldbränden.

Weiter bahnen wir unseren Weg vorbei an Rosinen- und Zitrusanbaugebieten. 90 % der Zitrusfrüchte werden, so berichtet Fred, in Florida und Kalifornien angebaut. Die Saftorangen mit der dünne Haut in Florida und die Früchte mit der dicken Schale in Kalifornien. Wir erfahren, dass Zitrusfrüchte die einzigen Früchte sind, die gleichzeitig blühen, Blätter und Früchte tragen. Die Früchte werden händisch, vielfach mexikanischen Erntehelfern geerntet. Dies ist nötig, da es unterschiedliche Reifegrade der Früchte an einer Pflanze gibt. Während in der Pflanzenmitte so zum Beispiel gerade erst die Blüte erscheint und die Früchte an der Schattenseite der Pflanze noch grün sind, finde sich an der Sonnenseite bereits erntebereite Früchte. Die Ernte selbst zieht sich daher über drei Monate hin.

Da mit Zitrusfrüchten erhebliche Gewinne erzielt werden können, ist der Kauf von Zitruspflanzen staatlich sehr stark reglementiert, erklärt Fred. Käufer von Zitruspflanzen werden vom Agrarministerium beim Erwerb namentlich registriert. Erwirbt man mehrere Pflanzen, so könne es, sagt Fred, durchaus vorkommen, dass das Agrarministerium nachsieht, ob diese kommerziell genutzt werden.

Das 7. - 18. Lebensjahr ist, bezogen auf die Ernteausbeute, die beste Zeit des Baums. 12.000 Orangen trägt dieser in 3 Monaten. Auf Plantagen liegen daher hunderte als Fallobst herum.

Fred klärt und auch darüber auf, dass in Kalifornien die meisten Mandeln und Pistazien weltweit angebaut werden. Es sei ein gutes Geschäft, da es viel Nachfrage, besonders aus dem asiatischen Raum, gebe.

Die charakteristischen Bergzüge sind bald nicht mehr unser ständiger Begleiter. Wir fahren vorbei an Korn- und Baumwollfeldern und anderen landwirtschaftlich genutzten Flächen. Häufig passieren wir auch die sogenannten Live-Stocks, die Rinderhaltung, die der Fleischproduktion dient. Auf Auktionen wird dieses Vieh 5 Tage die Woche gehandelt. Sofort fällt mir Brechts Drama "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" ein. Die Handlung ist in Chicago angesiedelt, aber auch hier geht es um Viehhandel und - wie sollte dies bei Brecht anders sein - Kapitalismuskritik. Während sich der "Fleischkönig" die Taschen füllt, erscheinen die Arbeiter als austauschbare Masse, die unter unmenschlichen Bedingungen ausgebeutet und selbstentfremdet werden. Johanna, die den Arbeitern zunächst durch die Vermittlung des Glaubens und die Vertröstung auf das Jenseits helfen will, merkt bald, dass die Schlechtigkeit der Armen von ihrer Armut herrührt und somit von den Reichen bedingt wurde. Sie setzt sich dafür ein, die Situation der Arbeiter gewaltlos zu verändern. Naiv glaubt sie immer wieder den "Fleischkönig" humanisieren zu können, muss jedoch auf dem Sterbebett eingestehen, dass inhumane Verhältnisse nicht durch humanes Handeln beseitigt werden können.

Den Kapitalismus und "The American Way of Life" erlebte Brecht selbst, als er 1933 auf der Flucht vor den Nazis bis nach Hollywood kam. In Santa Monica fand er sanfte Hügellinien, Zitronenbüsche, kalifornische Eichen und weiße Gartenmöbel unter Palmen vor. Anstatt jedoch die Schönheit der Natur genießen zu können erschien ihm seine Umgebung als Fassade: "Das war die entsetzliche Idylle dieser Landschaft, die an sich mehr dem Gehirn der Bodenspekulation entsprungen ist, (...) Würde man dort drei Tage das Wasser einstellen, würden die Schakale wieder auftauchen und der Sand der Wüste." Die äußere Gestaltung war für Brecht Sinnbild der inneren Gesinnung der Menschen. Wenn das Geld ausgeht, verschwindet der schöne Schein. Alles hier erschien Brecht als käuflich und kommerziell, so dass er feststellte: "Ich suche unwillkürlich an jeder Hügelkette (...) ein kleines Preisschildchen. Diese Preisschildchen sucht man auch an Menschen." Die im Werk sich manifestierende Kapitalismuskritik und die Kritik an den bestehenden Verhältnissen leitete sich demnach auch aus Brechts Exilerfahrungen ab.

Ich werde durch Fred, dessen Stimme erneut durch den Buslautsprecher schallt, aus meinen Gedanken an die Fleischböse und Brecht gerissen. Die Kalifornier seinen, im Gegensatz zu den restlichen Amerikanern sehr Umwelt und Ernährungsbewusst. Tatsächlich finden sich hier auf allen Produkten "Nutrition Facts". Als ich bei der folgenden Rast an der Theke der "amerikanischen Botschaft" (McDonalds) anstehe, sehe ich auf den Videotafeln, die die Produkte der Kette bewerben, neben jedem Artikel Angaben zu den Nährwerten. Tatsächlich hält mich diese Angabe davon ab den Strawberry-ice-cream-Becher mit verlockender Sahnehaube zu bestellen. Ich greife dann doch zum "Fruit´n Yogurt Sorbet" und spare satte 500 kcal! Wenn das mit den "Nutrition Facts" bei allen Amerikanern so gut funktioniert wie bei mir, dann sollte sich das Thema Fettleibigkeit in den USA bald erledigt haben. Noch immer sind aber 27 % der Amerikaner adipös. Außerdem ist der Anteil der fettleibigen Kinder ist in Amerika mit rund 13 % besonders hoch.

Kurze Zeit später sind wir dann auch schon in der Nähe der Hotelanlage. Erstaunlicherweise vergeht die Zeit im Bus wie im Flug. Schon wieder ist ein Tag vergangen und im zweckdienlich eingerichteten, aber wie immer gepflegten Zimmer, sehe ich entspannt den morgigen Erlebnissen entgegen. Als mein Blick aus dem Fenster schweift, sehe ich den Pool der Anlage. Ein leeres, reparaturbedürftiges Becken, das in einen kleinen Hof eingelassen ist, welchen eine Betonmauer umgibt. Das Blechdach des angrenzenden Gebäudes hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Die Farbe wellt sich und blättert an vielen Stellen ab.

Ich zappe mich durchs Fernsehprogramm: "Wheel of Fortune", "News", "Big Bang Theory", "America´s got Talent",… Ich bleibe kurz bei "America´s got Talent" hängen, weil ich dort Heidi Klum in der Jury erblicke und gespannt bin, wie ihre durchdringende, hochfrequente Stimme im Englischen klingt. Tatsächlich erscheint sie mir weniger bohrend, als im Deutschen, jedoch erscheint mir die Show noch etwas verrückter, aufgedreht und lauter als der deutsche Ableger, so dass ich recht schnell weiter schalte.

Nachdem ich mich in den News noch etwas über Trumps neueste Taten informiert habe, beschließe ich, dass der Konsum amerikanischen Fernsehens nicht zu den hervorstechendsten Kulturgütern des Landes gehört und daher nicht weiter meiner Aufmerksamkeit bedarf. Für heute schalte ich ab.

8. Tag

Visalia - Yosemite Nationalpark - Modesto

Vom beeindruckenden Yosemite National Park zum verschlafenen Nest Modesto

Oder: Über eine fälschlichen Benennung, den Bridalveil, den Diademhäher und ein zerrinnendes Eis

Als ich zum Frühstücksraum gehe, sehe ich den riesigen Innenpool, der sich mitten im Erdgeschoss des Hotels befindet. Er ist eingelassen in eine Landschaft aus grünen Plastikpflanzen. Ein skurriler Anblick.

Frühstück gibt es heute wieder Buffet. Neben Rührei, Speck Bratkartoffeln und Toast gibt es endlich auch wieder Früchte! Juchhu!

Wir verlassen das Hotel und machen uns über Highway auf den Weg zum Yosemite Nationalpark. Dabei recherchiere ich ein wenig über das amerikanische Straßensystem. Die Highways sind die Hauptstraßen im englischsprachigen Teil Nordamerikas. Sie dienen dem Fernverkehr und sind mit der deutschen Bundesstraße vergleichbar. Ausgewiesen sind sie mit weißen Schilden mit schwarzer Schrift und schwarzem Rand. Die Interstates, die eigentlich Interstate Highways heißen, sind Fernstraßen und gleichen der europäischen Autobahn. Wikipedia verrät mir, dass das Netz eine Länge von 77.017 km aufweist. Wie bei uns in Deutschland zeigen gerade Nummern Ost-West-Verbindungen und ungerade Nord-Süd-Verbindungen an. Wichtige Interstates haben 1-2-stellige Nummern. Die Zahlen der allerwichtigsten sind durch fünf teilbar. Die Höchstgeschwinigkeit beträgt im städtischen Raum 55 mph (89km/h), außerhalb 65 mph (105km/h). Sie sind gekennzeichnet durch typischen die rot-blauen Schilder mit weißer Schrift.

Wir durchfahren nun die Sierra Nevada. Ihren Namen erhielt die sie von der spanischen de Anza-Expedition, die 1776 Kalifornien erforschte. In ihr liegt nicht nur der Yosemite Nationalpark mit seinen bekannten und beeindruckenden Wasserfällen, die wir in Kürze selbst werden bestaunen dürfen, sondern auch der Sequoia Nationalpark, der wegen seiner gigantischen Bäume berühmt ist. Der Yosemite Nationalpark ist der meistbesuchter Park der USA, da nah am Ballungsgebiet liegt und somit leicht erreichbar ist. Von dem Indiamerstamm der Miwoks, die in der Nähe des Yosemite Valley lebten, wurde der dort lebende Stamm als Yohe'meti bezeichnet, was übersetzt "diejenigen, die töten" bedeutet, da sie von den benachbarten Stämmen gefürchtet wurden. Als der Bataillonsführer Bunnell, das Tal schließlich "Yosemite" nannte, dachte er dies würde "Grizzlybär" bedeuten, womit er jedoch einer Fehlübersetzung seines Kommandanten aufsaß. Der Grizzlybär ist im Yosemite Nationalpark inzwischen nicht mehr beheimatet. Dafür ist hier der Amerikanische Schwarzbär beheimatet.

Wir bahnen uns den Weg über die gewundene Landstraße, durch das dichte Waldgebiet hinauf zum Park. Hier sehen wir auch einige Redwood-Trees, Riesenbäume oder "giant sequoia", die mit jenen im Sequoia Park verwandt sind.

Schnell merken wir, dass der Park tatsächlich ein extrem beliebtes Ausflugsziel ist, denn unser Bus schiebt sich in einer Blechlawine zum Eingang hinauf. Nach einiger Zeit erreichen wir die kleinen braunen Holzhütten, an welchen man den Parkeintritt löst und vor welchen die amerikanische Flagge aufgerichtet ist.

Zunächst betrachten wir das gesamte Yosemite Valley von einem Panoramaausblick, dem Valley View, aus. Wir sehen den Bridalveil (Brautschleier) Fall, den Half Dome, einen großen abgerundete Granitkuppel, und den El Capitan, einen hohen Granitfelsen, der sich über dem Tal auftürmt. Seine teilweise senkrecht abfallenden Flanken erheben sich bis zu 1000 Meter über dem Yosemite-Tal. Der höchste Punkt des Felsens befindet sich auf 2.307 Metern und ist das Wahrzeichen des Nationalparks. Beim Fotostopp gibt es Gelegenheit das phantastische Panorama in sich und die Kamera aufzusaugen.

Beim nächsten Halt sehen wir erstmals die Yosemite-Falls und dürfen uns eine Viertelstunde durch das angrenzende Waldgebiet mit dem atemberaubenden Blick auf die Granitfelsen und die Wasserfälle werfen.

Im Wald bemerke ich den intensiven Duft der Bäume, die mehrere hundert Meter hoch neben mir aufragen. Ihre Stämme sind so dick, dass man drei oder vier Menschen benötigt, um einmal um sie herumzugreifen. Ich genieße die ätherischen Düfte und den lauen Wind, der um meine Beine streicht. Viel zu schnell ist die Zeit verflogen.

Wir fahren nun vorbei an der kleinen Kapelle des Parks. Die kleine, hölzerne, braune Kirche mit dem verschieferten Glockenturm wird gerne zum Heiraten genutzt wird. Steve Jobs hat hier beispielsweise geheiratet.

Nachdem wir aus dem Bus noch einen Panoramablick auf "El Capitan" erhaschen, erhalten wir endlich die Gelegenheit, den Yosemite-Falls ganz nah zu kommen. Zwei Stunden haben wir Zeit, um den Fußweg zum unteren Wasserfall zu beschreiten und die Aussicht zu genießen. Die Yosemite-Falls gehören zu den, mit 739 Metern, höchsten und bekanntesten Wasserfällen der Welt. Sie sind dreiteilig und bestehen aus den "Upper Falls", die 435 Meter an einer steilen Felswand hinunter fallen, den "Middle Cascades", mit einer Fallhöhe von 206 Metern und den 98 Meter hohen "Lower Falls", die das Wasser in den Merced River münden lassen. Wir haben Glück, dass sie in diesem Sommer noch so viel Wasser führen, denn das Wasser stammt aus dem tauenden Schnee versiegt meist im Spätsommer. Einige der Wasserfälle im Park sind bereits trocken und werden erst wieder im Winter zum Leben erwachen.

Ich begehe den kurzen Weg zu den "Lower Falls" und werden dabei von einer riesigen Menschenmenge begleitet, die sich aus den unterschiedlichsten Nationen zusammensetzt. Viele Asiaten schieben sich, mit Schirmen vor der Sonne geschützt, in Gruppen zu dem "kleinen" Wasserfall. Einige tragen Ventilatoren, die aussehen wie eine überdimensionale Haarbürste, oder Wasserzerstäuber mi Ventilatoraufsatz. Bemerkenswerte Produkte des asiatischen Marktes!

Als ich am Wasserfall ankomme, erblicke ich nicht nur, wie dieser sich brausend und gichtspritzend zu einem Fluss ergießt, sondern auch hunderte von Besuchern, die bei 90 °F auf den großen Granitsteinen im Fluss vor dem Wasserfall sitzen oder dort baden. Gleich fällt mir ein sehr voluminöser Junge ins Auge, der, bis auf die Unterhose ausgezogen, mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Wasser treibt. Erwachsene haben ihre Beine in den Fluss getaucht, die Kinder baden im gut knietiefen Wasser. Hier könnte man stundenlang sitzen, um die Natur und die Menschen zu beobachten!

Als ich vom unteren Wasserfall zurück zum Besucherzentrum laufe sehe ich ein Hinweisschild, dass auf den Weg zu den oberen Wasserfällen hinweist. Eine Angabe der Weglänge kann ich jedoch nirgends finden. Da der Weg nicht frequentiert wird, frage ich den Ranger, der an der Straße dafür zuständig ist, dass abwechselnd die Fußgänger die Straße überqueren oder die zahlreichen Autos ihren Weg ungestört fortsetzen können, wie lange man bis zu den oberen Wasserfällen wandert. Sechs bis acht Stunden, ist die Antwort. In Anbetracht dessen, dass mir gerade noch 25 Minuten bleiben, bis der Bus wieder abfährt, beschließe ich den Besuch bei den "Upper Falls" ausfallen zu lassen.

Stattdessen bemerke ich plötzlich einen eisblauen Vogel mit schwarzem Kopf, der über mit in den Baumkronen von Ast zu Ast fliegt. Wie ich später erfahre handelt sich dabei um den Diademhäher, einen amerikanischen Singvogel aus der Familie der Rabenvögel, handelt. Auf dem Weg zum Besucherzentrum komme ich am Schwimmbad vorbei, das heute für alle Besucher ohne zusätzlichen Eintritt geöffnet ist. Es sieht einladend aus und ist, im Gegensatz zu allen anderen "Attraktionen" im Park, fast menschenleer. Beim nächsten Besuch im Yosemite Nationalpark muss ich definitiv mehr Zeit und einen Badeanzug mitbringen!

Auf dem Wegweiser vor dem Besucherzentrum lese ich: "Ice Mashine". Ob es hier eine Soft-Ice-Maschine gibt, denke ich und sehe mich um. Etwas enttäuscht muss ich feststellen, dass es sich dabei um eine Eiswürfelmaschine handelt, aber da Eiswürfel in Kalifornien, nach Angebotsmasse und Preis zu schließen, zu den Grundnahrungsmitteln zu zählen scheinen, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass hier eine solche Einrichtung existiert.

Mein Eis muss ich also im Shop kaufen. Als ich das Papier von meinem Erdbeerwassereis entferne stellt sich die Frage, ob das Eis wohl eher durch die Sonne geschmolzen oder von mir verspeist werden wird. Es ist tatsächlich ein Wettlauf mit der Zeit, denn die Temperaturen sind nochmals angestiegen und die herrlich klebrige Erdbeermasse versucht schon bald sich den Weg über den Stil auf meine Finger zu bahnen, doch ich gewinne den Wettstreit, wenngleich durchaus knapp.

Im Bus geht es weiter entlang des Wildwasserflusses, dessen Wasser durch den Himmel strahlend blau erscheint und weiße Schaumkronen auf den Wellen bildet, die durch das Umwirbeln der Steine entstehen. Der Fluss windet sich mit der Straße talabwärts, bis wir nach etwa einer halben Stunde wieder auf dem Highway unterwegs sind.

Auf der Fahrt zum Hotel halten wir noch kurz an einem typisch amerikanischen Landladen, der einen Streichelzoo unterhält, einem kleinen Supermarkt und einen Deko-Shop sowie eine Bäckerei beherbergt und auch Eis verkauft. An einer Wand hängt eine Weltkarte, auf der man mit einer Stecknadel seinen Herkunftsort markieren kann. Im europäischen Raum und über ganz Nordamerika ist die Karte mit Nadeln übersäht. Auch aus Indien, China und von der australischen Westküste sind bereits viele Menschen hergekommen. Vereinzelt finden sich auch Nadeln im südamerikanischen Raum. Fast keine Stecken in Afrika, Russland und den arabischen Ländern. Interessant.

Durch eine Landschaft mit goldenen Feldern und gelben Bergen und Hügeln setzten wir unsere Reise noch eine Stunde fort, bis wir Modesto erreichen. Bevor wir den Bus verlassen, um unsere heutige Unterkunft zu beziehen, warnt Fred uns noch davor, die Straßen nicht am Fußgängerüberweg zu queren oder gar bei Rot über die Straße zu laufen, denn das kann teuer werden. 120 Dollar fallen bei einem solchen Fehlverhalten hier in Modesto an. Wahnsinn!

Am Abend ist hier in Modesto nicht mehr viel los. Der Ort hat nichteimal einen richtigen Ortskern. Auch der Pool in dem umzäunten Hinterhof sieht nicht unheimlich einladend aus. Also mache ich es mir erstmal in meinem Zimmer bequem. Da ich parterre wohne und das Fenster zum Hinterhof hinausgeht, blicken viele Neugierige Menschen auf dem Weg zum Pool bei mir hinein. Aber das bin ich ja nun schon von den Unterkünften in der "Bryce View Lodge" und in "Ruby´s Inn" gewöhnt.

Ebenfalls gewöhnt sein sollte ich daran, dass die Hotelzimmer keine Deckenbeleuchtung haben und nur indirekt, häufig sogar über Lampen mit Drehschalter, beleuchtet werden, jedoch bleibt mir dieses Leben in der Dunkelheit fremd.

Auch die Tatsache, dass man in vielen Hotelzimmern, wie auch hier, kein Fenster öffnen und nur die, extrem laute, Klimaanlage nutzen kann, um die Raumtemperatur und die Luftqualität zu verändern, mag ich nicht so recht akzeptieren.

Kurz vor dem Einschlafen beginnt irgendwo neben meinem Zimmer jemand zu saugen. Die Holzständerbauweise der Hotel ist extrem hellhörig, so dass der Staubsauger auch gleich neben mir im Einsatz sein könnte. Jedes Händewaschen, jedes Abziehen der Toilette, alle Gespräche auf dem Gang, alles bekommt man hier hautnah mit. Das kann spannend sein, ist es aber, wie meine Beobachtungen zeigen, in den meisten Fällen eher nicht wirklich. Ich ziehe die deutsche Bauweise vor!

Als ich das Licht ausschalten will fällt mein Blick auf den Umschlag, in welchem sich meine Zimmerkarte befindet. Dort lese ich die folgenden Sicherheitshinweise:

Always use deadbolt

Secure valuables

Report suspicious persons or acts

Never open door prior to verifying ID

Ich lege den Umschlag wieder zur Seite und beschließe, dass ich von den Hinweisen nicht auf die Vertrauenswürdigkeit der Umgebung rückschließen werde.

9. Tag

Modesto - San Francisco

"Be sure to wear some flowers in your hair

oder: ein Tag in San Francisco mit Gänsehaut im Streifenkleid, Lichtbändern im Beton, internationalem Orange, aufdringlichen Möwengangs, einer gewundenen Straße und Clam Chowder"

Das Frühstück ist heute eigentlich keiner Erwähnung wert: Es gibt Toast, Marmelade und ein hart gekochtes Ei auf Plastikgeschirr. Das "Highlight" ist ein Joghurt! Der Kaffee kommt aus großen Thermoskannen und wird in Pappbecher gefüllt, die man nur noch am oberen Rand packen kann, will man sich nicht die Finger verbrühen. Von dem "Genuss" des Orangensaftes sehe ich ab, als ein Mitreisender aus dem Automaten eine leicht orangegefärbte Flüssigkeit entnimmt, die mit dem mir bekannten Fruchtgetränk nichts zu gemein hat.

Als ich mit meinem Koffer zum Bus rolle, steht unser Busfahrer George wie üblich bereits vor diesem und lädt sorgsam das Gepäck aller Reisenden ein. Dabei fällt mir auf, dass ich ihn in meinem Bericht bisher noch gar nicht erwähnt habe, obwohl seine Arbeit so entscheidend dazu beiträgt, dass diese Reise so reibungslos verläuft. Aber wie sagt man: Man merkt erst, dass etwas gut funktioniert hat, wenn es dies nicht mehr tut. Dies soll mir an dieser Stelle nicht passieren, denn ohne George würde wir nicht so sicher und sanft durch das Land fahren, wie wir es tun. Er kennt sich in allen Städten, auf allen Highways und Interstates bestens aus. Niemals stehen wir lange im Stau, weil er die günstigsten Routen kennt und uns immer zur rechten Zeit an den vorbestimmten Ort bringt. Dabei hat er immer ein Lächeln und ein freundliches Wort für uns Reisende. Wenn wir den Bus für einen Stopp verlassen steht er vor der Treppe und hält allen helfend die Hand entgegen. Auch wenn die Menschen in meiner Reisegruppe alle fit und überwiegend jung sind, genießen wir alle diese zuvorkommende Art Georges.

Ein Stunde nach unserer Abfahrt erreichen wir San Francisco über die Bay Bridge, deren Neubau Arnold Schwarzenegger als kalifornischer Gouverneur unterstütze, während das gleichnamige Lied von Scott McKenzie aus der Lautsprecheranlage des Busses erschallt. "If you're going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair", singt McKenzie. Ok, vergessen! Die nächste Zeile ist ein Versprechen: "You're gonna meet some gentle people there!" Ich bin gespannt.

Wir fahren vorbei an tristen Fassaden und grauen Häuserschluchten. Überall auf den Gehsteigen zeigen sich Camps von Obdachlosen, die hier in Scharen auf den Straßen leben. An fast jedem Haus sind die typisch amerikanischen Feuerleitern angebracht. Während die Stahlleiter ab dem ersten Stock als Außentreppe geführt ist, findet sich an allen Immobilien zwischen dem Boden und der ersten Etage eine Art Klappleiter. Betritt man die von oben und belastet sie somit, fährt sie sich automatisch aus und ermöglicht so das Herabsteigen im Notfall. Eine clevere Technik.

Wir stoppen am Rathaus. Jetzt erst merke ich, dass die Temperatur seit unserer Abfahrt in Modesto deutlich gefallen ist. Es ist mit 60 °F sehr kalt und zudem ausgesprochen windig. Während wir in Palm Spring bei 110 °F schwitzten bibbere ich nun vor mich hin und bereue meine Kleiderwahl! Eine lange Hose, ein dicker Pulli, Schal und Jacke wären angemessen gewesen. Stattdessen stehe ich nun in meinem Blockstreifenkleid frierend in den Straßen San Franciscos. Für den "Notfall" hatte ich einen Pullover über die Schultern geworfen. Als ich ihn überziehe, bemerke ich leider keine wesentliche Verbesserung. Ich fluche auf den Onlinewetterdienst, der für den heutigen Tag sonnige 25 °C versprach. Ob ich den Vorhersagenden wohl verklagen kann, wenn ich Erfrierungen erleide?

Auf der dem Rathaus gegenüberliegenden Straßenseite ist der Asphalt mit aufgemalten Blumen übersäht. Das Kunstprojekt ist ein Teil des LIV (Living Innovation Zone Program), das über wechselnde, kreative Installationen Menschen miteinander in Kontakt bringen möchte und gleichzeitig in Erfahrung bringen will, wie man die Stadt langfristig lebenswert gestalten kann. Ich setze mich, wie viele andere Menschen, neben eine der großen Blüten auf dem Gehweg, um mich mit den bunten Bemalungen in der eher tristen und noch nebeligen Umgebung abzulichten.

Recht zügig finde ich mich wieder im Bus ein. Wir fahren zur St. Marien Kathedrale (St. Mary's Cathedral), einer römischen Kathedrale aus dem Jahr 1971. Sie ist 58 Meter hoch und weist zusätzlich noch ein 17 Meter hohes, goldenes Kreuz auf. Der von Pier Luigi Nervi und Pietro Belluschi entworfene Bau, wird als expressionistisch-modern bezeichnet. Das Satteldach besteht aus acht Segmenten von hyperbolischen Paraboloiden, so dass sie ein Kreuz bilden. Von außen wirkt die moderne Architektur auf mich zunächst etwas kühl. Der glatte Beton des Gebäudes ragt leblos in den milchigen Himmel und verschmilzt optisch fast mit diesem. Als ich die Kirche betrete, bin ich positiv überrascht. Die moderne, reduzierte Architektur verbreitet im Inneren eine klare und besinnliche Atmosphäre, die eine positive Ausstrahlung besitzt. Über den Bankreihen ist im Kirchdach ein Kreuz aus buntem Fensterglas zu bewundern, das sich vom Boden der jeweiligen Seitenwände bis zur Decke zieht, wo sich die Linien treffen. Während die Lichtbänder im unteren Teil bläulich gefärbt sind, verläuft die Farbgebung bis zur Decke zu hellem Gelb. In einem weißen Glasqaudrat, das einen glänzenden Schimmer über das Kirchenschiff verbreitet, laufen die Bänder zusammen. Über dem Altar erblicke ich eine Installation aus silbernen Stahlstangen, die wie riesiges Lametta zur der Decke streben und sich nach dort, in ihrer Quantität abnehmend, verjüngt. Vielleicht ein Symbol des herabkommenden Geistes? Als ich mich nach Süden wende, sehe ich die bemerkenswerte moderne Orgel aus der Werkstatt von Fratelli Ruffatti aus Padua. Die Pfeifen sind, separiert vom Spieltisch, auf einer erhöhten Stehle angebracht und zieren die Kirche wie eine Installation. Währen ich wieder aus der Kirche trete, bricht die Sonne langsam hervor und der Hochnebel nimmt ab. Über der Kirche öffnet sich an ein paar Stellen der blaue Himmel und gleich wirkt das glatte Gebäude viel freundlicher.

Kalt bleibt es jedoch, auch wenn Fred sagt, dass wir, für die Verhältnisse in San Francisco, unheimlich gutes Wetter erwischt haben, kann ich mich, vielleicht weil ich mich gerade auf die Temperaturen in der Wüste eingestellt hatte?!, nicht so recht mit den Gegebenheiten anfreunden und die Gänsehaut an meinen Beinen offenbart dies äußerlich.

Es geht nun hinaus in die Villenviertel. Hier wirkt die Stadt deutlich ansprechender auf mich. Die in holzbauweise errichteten und in grau, taubenblau, smaragdgrün, eierschalengelb, rosa und weiß gestrichenen Häuser mit den großen Treppenaufgängen und den imposanten Erkern sind meist schmal zur Straße hin gebaut. Dies ist darin begründet, dass früher Steuern für die Länge der Hausfront zur Straße entrichtet werden mussten. So konnte sich nur besonders reiche Menschen ein breites Haus leisten oder gar eins, das sich auf einer Straßenecke befand.

Über uns sind zahlreiche Strom- und Telekommunikationsleitungen gespannt und verbauen die freie Sicht auf den Himmel. Wie Fred erklärt, werden die Leitung wegen der Erdbeben nicht unterirdisch verlegt. Reißt eine Leitung bei einem Beben, sind diese überirdisch viel leichter zu reparieren.

Kurz bevor wie den Central Park erreichen, streckt uns aus einem Fenster eines Shops eine überdimensionale Frauenfigur ihre in Netzstrümpfe gehüllten Beine mit ihren roten Pumps entgegen.

Als wir im Central Park aussteigen, haben wir kurz Zeit, das Kunst- und das Wissenschaftsmuseum (von außen!) zu sehen. Gerne hätte ich die Ausstellungen besucht, doch dafür bleibt keine Zeit. Also höre ich kurz der öffentlichen Probe der "Golden Gate Park Band" zu, die via Plakat und durch ihre akustischen Reize für das Konzert am Abend werben.

Es geht vorbei an dem großen Springbrunnen und einer Gruppe Tai-Chi praktizierender Menschen, der Bewegungen im trubeligen Park eine bemerkenswerte Ruhe ausstrahlen.

Vor dem Kunstmuseum, das zurzeit eine Ausstellung zum Thema "Summer of Love" zeigt, finden sich auf Böden und Wänden riesige Aufkleber ehemaliger Ansteckpins mit Botschaften wie: "Make Love - Not War", "I choose Peace" und "You´re sitting on my hair", die unmissverständlich auf die "Flower Power" Zeit der Stadt verweisen.

Kurze Zeit später steuern wir die "Golden Gate Bridge" an und haben Glück, dass wir diese außerplanmäßig fußläufig überqueren dürfen. Fred gibt uns dazu eine Stunde Zeit. Tatsächlich benötigt man gut 40 Minuten, um auf die andere Seite der 2.737 Meter langen Brücke zu gelangen, wenn man einige Male zum Fotografieren stoppt.

Bei solchen "Extras" zeigt sich einmal mehr, wie viel Glück wir mit Fred, unserem sehr erfahrenen Reiseleiter haben. Seit 34 Jahren kommt er an die Westküste der USA und führt hier Reisegruppen. Er hat ein enormes Wissen über Land und Leute und kennt sich in allen Städten und Dörfern bestens aus. An allen Stellen, die wir anlaufen ist er bekannt wie ein bunter Hund. Halten wir, weiß er genau, wohin man schauen oder wie man fotografieren muss und teilt dies über Mikrofon mit. Immer sind wir bestens informiert. Kommen wir an den Hotels an, steigt Fred aus, checkt uns ein und verteilt die Zimmerkarten. Er gibt kund, wann wir wo das Frühstück einnehmen können und achtet während der Fahrt darauf, dass wir regelmäßige, kurz Pausen einlegen, bei denen wir unsere Essensvorräte auffüllen können. Auch dabei gibt es immer Tipps, wie große Vorräte wie anlegen oder welche lokalen Spezialitäten wir probieren sollten. Fred ist für uns also ein wahrer Glückstreffer!

Noch mehr weiß ich dies zu schätzen, seit ich im Grand Canyon Nation Park ein deutsches Ehepaar getroffen habe, das mit dem Mietwagen auf eigene Faust unterwegs war. Sie berichteten, wie lange sie in den Städten im Stau gestanden und wie oft sie sich verfahren hätten. Sie sagten, dass es stressig sei, die hunderten von Kilometer täglich zurückzulegen, um all die vielen Sehenswürdigkeiten zu erleben und schilderten, dass es sogar Probleme bereitet einen Supermarkt zu finden, wenn man nicht ortskundig ist, von einem Parkplatz ganz zu schweigen. Ich schließe, dass man, fährt man selbst mit dem Auto, zwar freier entscheiden kann, wie lang man sich wo aufhält, die Chance hat, auch mal eine Wanderung zu unternehmen, ein Museum zu besuchen oder vielleicht sogar eine Rafting Tour mitzumachen, dafür aber viele Stunden mit lästigen, zeitaufwändigen du belastenden Suchen und Planungen verbringt.

Als wir den Bus an der "Golden Gate Bridge" verlassen, erklärt Fred, dass das "Golden Gate" eigentlich die Landenge ist, durch welche sich das Festland zum offenen Pazifik hin öffnet. Während sich in der Bay vor der Brücke viele Segler tummeln, wagen sich, so erklärt Fred, nur die versiertesten unter der Brücke hindurch auf den offenen Pazifik, da sie dort auf besondere, Erfahrung voraussetzende Strömungsverhältnisse treffen.

Auf der Brücke pfeift der Wind und die Haare schlagen mir um das Gesicht, so dass ich sie zum Zopf zusammenbinden muss. Ich beneide die Menschen, die hier mit Wind- oder Winterjacke, Schal und langer Hose unterwegs sind, während ich die Zähne zusammenbeiße und mit meinem kurzen Kleid über die Brücke spaziere. Dieses einmalige Erlebnis lasse ich mir von der falschen Kleiderwahl natürlich nicht nehmen. Einzigartige Ausblicke auf das Stadtpanorama, die ehemalige Gefangeneninsel Alcatraz und den Jachthafen auf der gegenüberliegenden Landseite zeigen sich. Neben mir reihen sich Autos Stoßstange an Stoßstange auf sechs Fahrstreifen aneinander. Mehrfach passieren "Hop On Hop Off Busse", die einem Cable-Car-Wagon nachgebildet sind und mit zahlreichen Touristen besetzt sind, die mit gezücktem Smartphone im 90° Winkel zur Fahrbahn sitzen.

Mit Faszination betrachte ich das System der Stahlseile, die die Brücke, welche in "International Orange" gestrichen ist, über mir. Die 1937 eröffnete Brücke und von Joseph Strauss konstruierte muss ständig Instand gehalten werden, so wird die Brücke ständig neu gestrichen. Sobald die Kolonne der Streicher am Ende der Brücke angekommen ist, beginnen sie auf der anderen Seite wieder von vorne.

Unsere nächste Station ist der Hafen. An Pier 43 halten wir gleich gegenüber des Leuchtschildes: View Alcatraz. Bevor ich meinen zusätzlich gebuchten Bootsausflug durch die Bay antrete, bleibt mir noch eine knappe Stunde, um mir bei einem der vielen Fischhändler ein Mittagessen zu besorgen. Ich entscheide mich für das klassische "Fish and Chips". Doch nicht nur ich freue mich auf den frittierten Fisch. Von mir zunächst unbemerkt, hat bereits eine Möwe ein Auge auf meine duftende Speise geworfen und steuert im Tiefflug auf mich zu. Mein Essen schützend laufe ich unter das nächste Überdach. Was für ein Biest! Als ich mich genauer umsehe stelle ich fest, dass die Möwe kein Einzelräuber ist. Ganze Clans lauern hier den arglosen Touristen auf. Die Gang geht dabei, wie ich bald beobachten kann, nach einem perfiden Plan vor: Eine Möwe greift einen Touristen an, der gerade am Fischstand gekauft hat, dieser lässt seine Schale fallen und die gesamte Möwenmeute stürzt sich dann auf die Beute. Eine gemütliche Mittagspause wird es heute nicht, denn beim Essen muss ich andauernd nach den Möwengangs Ausschau halten! Als ich das Boot betrete, erhalte ich einen Audioguide, welcher mir während der Tour viele Informationen zu all jenem geben wird, was am Ufer der Bay zu sehen ist. Wir fahren bis zur Golden Gate Bridge, drehen unter dieser und kehren wieder zurück zum Hafen. Ein netter Ausflug, der uns eine andere Perspektive einnehmen und die Stadt so aus neuen Blickwinkeln erleben lässt. George bringt uns nun für einen kurzen Aufenthalt und zum Abladen der Gepäckstücke in unser Hotel, welches auf mich einen recht altbacken, daher nennt es sich "historic", Eindruck macht. Die dunklen Korridore sind mit schweren Teppichen belegt und der Koffer rollt nur recht wiederwillig über den Untergrund. Das Zimmer ist, im Gegensatz zu den vorherigen Unterkünften recht klein und weist, wie die anderen Unterkünfte, wieder einmal kein Deckenlicht auf. Aus dem Fenster hat man Ausblick auf die eine andere Zimmerreihe des Hotels. Außer dieser Außenwand kann ich nur noch ein Stück des Himmels sehen, ansonsten blicke ich nur auf die wenig dekorative Mauer. Da es aber gleich schon wieder zur nächsten Stadtrundfahrt geht, bleibt ohnehin nicht viel Zeit, sich weitere Gedanken über Zimmer oder Aussicht zu machen.

Der Bus, der uns um halb Sechs wieder aufnimmt, macht sich mit uns auf den Weg zu den Twin Peaks. Während wir durch die Stadt fahren, kommt es einer Planänderung. Fred stellt fest, dass sich die Wetterverhältnisse gerade geändert haben, was in San Francisco unheimlich schnell geht und beschließt, dass sich wir von einem Besuch der Twin Peaks, die nun im Nebel liegen und keine schöne Sicht mehr auf die Stadtermöglichen, die Lombard Street ansteuern, zu der wir jedoch zu Fuß emporsteigen müssen. Auch hier zeigt sich wieder, wie sinnvoll es ist einen Führer bei sich zu haben, der die örtlichen Verhältnisse so gut kennt. Am Fuß des Berges steigen wir also aus und laufen den steilen Hügel empor. Auf den Schildern ist angeordnet, dass hier nur im 90° Winkel zur Straße geparkt werden darf, da ein Hinabrollen nicht riskiert werden soll. Überhaupt, so klärt uns Fred auf, sei es in San Francisco geboten, die Reifen, beim Parken am Hang, in Bordsteinrichtung einzuschlagen, um ein Wegrollen zu verhindern. Wer dies nicht beherzige müsse mit empfindlichen Strafen rechnen.

Neben uns stauen sich inzwischen Autos den Berg hinauf, wobei ich noch nicht verstehe, warum sie dies tun.

Als wir auf der Kuppe zur Lombard Street ankommen, sehen wir zunächst eines der berühmten "Cable Cars", die an Seilwinden die steile Straße hinaufgezogen werden. Ihr Erfinder, der Ingenieur Andrew Smith Hallidie konnte es nicht mehr mitansehen, wie die Menschen ihre Einkäufe aus der Stadt die steilen Hänge hinaufschleppten und entwickelte in seiner Freizeit die Cable Cars. Um mich herum stehen zahlreiche Menschen auf der Straße. Alle haben Fotoapparate und Handys in der Hand. Als ich dann die Lombard Street hinunter blicke, erkenne ich den Grund und bemerke auch, dass der Grund des Autostaus die Lombard Street selbst ist. Es handelt sich dabei um eine in Serpentinen geführte Straße, die gesäumt ist von großen Hortensienstauden, die in den Ausbuchtungen der Straße in großen Beeten gepflanzt sind. Fred legt dar, dass die Anwohner der Lombard Street einst die Stadt gebeten hätten, ihre Straße in Windungen anzulegen, da sie ihnen deutlich zu seil erschien. Dem kam die Stadt, nach einiger Zeit, auch nach. Allerdings hätten die Anwohner nicht gedacht, dass dieser Umbau ihre Straße zu einer der berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt machen und dafür sorgen würde, dass von nun an Tag und Nacht tausende von Touristen genau diese Straße durchfahren wollen. Als die genervten Anwohner die Stadt baten, die Straße aufgrund dessen doch wieder zu begradigen, kam dies der Stadt jedoch nicht mehr in den Sinn, war die Straße doch zu einem der Wahrzeichen geworden. Nachdem George uns am Fuß der Lombard Street wieder aufgenommen und im China Town wieder abgesetzt hat, laufen wir durch das chinesische Viertel mit den asiatisch gestalteten Hausgiebeln, die pagodenförmig gestaltet sind. Über die Straße sind rote Lampiongirlanden gespannt und in den Geschäften findet sich, neben durchaus schönen und aufwändig gestalteten chinesischen Produkten auch so mancher Ramsch vom asiatischen Markt.

Kurze Zeit später finden wir uns wieder am Meer, dieses Mal am Pier 39. Der Wind weht unerbittlich und obwohl ich im Hotel die Kleidung gewechselt habe und nun eine lange Hose, Pullover, Jacke und Schal trage, friere ich noch immer. Pier 39 bietet nicht nur zahlreiche Restaurants, sondern auch eine Menge Unterhaltung. In der Mitte der Holzhäuschengruppe führen Artisten Kunststücke vor, ein altes Karussell dreht sich gleich daneben. Souvenirläden gibt es ebenso wie Süßigkeitenbuden, ein 7(!?)D-Kino und eine Greifarmmaschine mit einem riesigen Greifer, an dem man sein Glück darin versuchen kann, einen riesigen Minion mit diesem zu fassen und über die Ausgabeluke zu bugsieren, von wo er dann von den glücklichen Kindern, die mit leuchtenden Augen vor dem Glaskasten warten, in die Hände fällt.

Ich schiebe mich durch die Menschenmenge hinaus an das Meer. Dort liegen die Seehunde auf den hölzernen Bootsanlegern. Es ist unglaublich interessant, den Tieren zuzuschauen. Während auf dem hinteren Bootssteg ein Seehund die um ihn Liegenden mit lauten Rufen tyrannisiert und von der Holzvorrichtung stößt, schlafen im Vordergrund andere schon dicht an dicht. Einige Seehunde haben die Flossen um einen anderen gelegt, einige streicheln oder kraulen einander, manche gähnen oder kratzen sich selbst mit der Schwanzflosse am Kinn. Wäre es nicht so unglaublich kalt, könnte ich hier ewig stehen und die Tiere und ihr Verhalten beobachten.

Zum Aufwärmen gehe ich in die älteste Bäckerei, die Bäckerei Boudin, in der ich die typische Clam Chowder Suppe esse, eine amerikanische Muschelsuppe, die aus großen Venusmuscheln, Speck oder gepökeltem Schweinefleisch, gewürfelten Kartoffeln, Zwiebeln, weiterem Gemüse, Kräutern wie Dill und Thymian sowie Gewürzen besteht.

Den Tagesabschluss bietet uns dann der Weg über die San Francisco-Oakland Bay Bridge, die die Bucht von San Francisco überspannt und die beiden kalifornischen Städte Oakland und San Francisco verbindet. Sie besteht aus zwei einzelnen Hängebrücken mit je zwei Pylonen, die an einem zentralen Betonankerblock aneinanderstoßen. Der Verkehr wird auf zwei Ebenen geleitet. Das obere Deck führt Richtung San Francisco, das untere Richtung Oakland. Von Oakland aus haben wir einen phantastischen Blick auf das nächtliche Stadtpanorama, das uns mit seinen tausenden Lichtern entgegenstrahlt.

Als wir auf dem oberen Brückendeck zurück in die Innenstadt fahren, reihen sich selbst noch jetzt, um 22.00 Uhr, Autos dicht an dicht. Etwa 20 Minuten später endet dann ein spannender, eindrucksreicher aber auch anstrengender Tag zu Ende.

10. Tag

San Francisco - Monterey/Carmel - Santa Maria

Über Davenport, Carmel und Monterey nach Santa Maria

oder: Von wunderschönen Orten und der Begegnungen mit Forrest Gump, John Steinbeck, einer seltsamen Massagemaschine und einem Staubsaugereisautomaten

Heute haben wir glücklicher Weise wieder einen etwas entspannteren Tag vor uns. Etwa 500 km werden wir im Bus zurücklegen und dabei teilweise dem Pazifik Richtung Süden folgen.

Nach einem wenig spektakulären aber ganz ordentlichen Frühstück, welches die üblichen Speisen (also Bratkartoffeln, Rühreier, Spreck und Würstchen und (dieses Mal ungetoasteten) Toast) sowie Früchte, Joghurt und Müsli bot, brechen wir im Nebel bei 55 °F auf. Als wir zum ersten Mal die Küste erreichen, kann man vor Nebel kaum etwas erkennen, doch nach einiger Zeit lichtet er sich und ich kann den Blick auf die sich immer wieder öffnenden, kleinen Buchten genießen. In diesen erblicke ich einige unerschütterliche Surfer, die sich auch von Nebel und Kälte am frühen Morgen nicht davon abhalten lassen, die Nase in den Wind zu halten.

Bald schon legen wir einen kurzen Halt in Davenport, einem ehemaligen Walfangort, ein. Die bunt gestrichenen Häuser strahlen einen morbiden Scharm aus. Ich kaufe ein Getränk in dem kleinen Supermarkt und ein leckeres Schinken-Käse-Croissant in der Bäckerei, das mich für das Frühstück entschädigt.

Weiter geht es am Pazifik vorbei, wobei wir mehrfach Schilder passieren, die dazu auffordern, betrunkene Fahrer bei der Polizei zu melden. Fred erklärt, dass man solche Schilder nur in Regionen mit vielen Indianern oder Mexikanern finde, weil diese dem Alkohol stärker zusprächen. Die Indianer und Mexikaner haben hiergegen eine Klage wegen Diskriminierung angestrengt, die jedoch abgewiesen wurde, da statistisch nachgewiesen ist, dass die ethnischen Gruppen deutlich mehr Alkohol konsumieren. Dann erreichen wir auch schon Carmel. Der Ort ist sehr gepflegt und wird im Wesentlichen von der reicheren Oberschicht bewohnt. Viele kleine Mode-, Design- und Ausstattungsgeschäfte, die in den hölzernen Häusern mit den vorgelagerten, hübsch bepflanzten Blumenbeten untergebracht sind, finden sich hier. Ich genieße die Ruhe des Ortes bei einem kleinen Bummel durch die Straßen. Dabei werfe ich einen Blick auf die Immobilien, die bei einem örtlichen Makler ausgehangen sind. Wer mehr als eine Million investieren möchte, ist hier gut aufgehoben. Ich beschließe erst einmal zu verzichten.

Im Anschluss geht es auf nach Monterey, natürlich nicht, ohne zuvor an eben jenem Abschnitt der pazifischen Küste entlang zu fahren, an dem Alfred Hitchcock seinen Film "Die Vögel" drehte.

In Monterey angekommen haben wir glücklicher Weise Zeit für eine ausgiebige Besichtigung, denn der Ort bietet viele wunderschöne Blicke und einige Kuriositäten. Zunächst zieht es mich zum Meer. Auf einem Holzdeck kann man platznehmen und im wunderschönen Sonnenschein, bei angenehmen 70 °F entspannen. Das Wasser ist klar und im Pazifik schwimmen Seeotter, die sich von Zeit zu Zeit auf die großen Steinen im Wasser robben und dort sonnen.

Obwohl ich noch lange hier sitzen könnte, beschließe ich mir den Ort nun doch erstmal etwas genauer anzuschauen. So geht es über die Hauptstraße mit den vielen schönen Geschäften in den bunten, hölzernen Häusern, bis ich an der linken Straßenseite "Bubba Gump Shrimps" entdecke. Gleich steuere ich das Restaurant an, da ich mich an den Film "Forrest Gump" erinnert fühle. In dem Kultfilm erzählt der Protagonist Forst Gump seine Lebensgeschichte, während er auf einer Parkbank sitzt. Einen Teil dieser Erzählung bildet die Geschichte rund um die Gründung von "Bubba Gump Shrimps". Forrest, der im Vietnamkrieg an der Seite seines schwarzen Freundes Bubba für die Amerikaner und unter seinem Leutnant Dan kämpft, muss im Krieg den Verlust Bubbas verkraften und rettet Leutnant Dan gerade noch lebend aus dem Bombenhagel. Dieser jedoch verliert bei dem Zwischenfall seine Beine und wünscht sich, er wäre gestorben. Aus dem Krieg zurückgekehrt verfällt er dem Alkohol, wird aber von Forrest nicht aufgegeben. Forrest, der mit Bubba geplant hatte, nach der Kriegsrückkehr gemeinsam einen Shrimpkutter zu kaufen und auf diesem zu arbeiten, sieht sich in der Pflicht diesen Plan auch ohne Bubba umzusetzen. Er überzeugt Leutnant Dan mit ihm auf den Kutter zu kommen. Nach anfänglichem Pech beim Shrimpfang gelingt es ihnen plötzlich, wie durch ein Wunder, eine Stelle aufzutun, die ihnen eine unerschöpfliche Shrimpquelle offenbart. Durch den Verkauf werden sie reich und Forrest nennt das Geschäft "Bubba Gump" nach seinem verstorbenen Freund Bubba und seinem Nachnahmen. Leutanent Dan beginnt wieder das Leben zu genießen und dankt Forrest erstmals für die Rettung während er vom Schrimpkutter ins Wasser springt. Als Forrest das Geschäft verkauft, stellt er Bubbas Familie einen Scheck über die Hälfte des Gewinns aus, da die Idee ohne Bubba nicht entstanden wäre. In der darauffolgenden Szene sieht man wie Bubbas Mutter den Scheck in Empfang nimmt und beim Lesen der Summe in Ohnmacht fällt.

Als ich den Film sah wusste ich nicht genau, ob es "Bubba Gump Shrimps" wirklich gibt. Tatsächlich wurde die Kette 1996, durch den Film inspirierten, gegründet. Vor der Filiale findet sich auch die Forrest Gump Parkbank. Auf dieser kann man neben dem Koffer und der Pralinenschachtel ("Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie was man bekommt.") in Forrests Laufschuhe schlüpfen und sich fotografieren lassen. Das muss ich natürlich sofort machen!

Im Shop von "Bubba Gump Shrimps" gibt es zahlreiche Shirts mit den bekanntesten Sprüchen aus dem Film "Forrest Gump", wie: "Run Forrest run", "My Mama says I´m special", "Live is like a box of chocolates you never know what you´re gonna get". Auch die Speisekarte ist ganz auf Forrest ausgerichtet. So gibt es "Mama Gump´s garlic bread", "Forrest´s seafood feast" und "Jenny´s catch". Wie gerne hätte ich hier mein Mittagessen zu mir genommen, doch ist die Schlange derjenigen, die schon vor dem Restaurant warten, um einen Platz zu bekommen, so lang, dass ich befürchte dies nicht mehr in der mir verbleibenden halben Stunde zu schaffen.

Dafür kann ich noch schnell einen Blick in den Eingangsbereich des "Wax Museums" werfen, für das das Gesicht des Literaten und ehemaligen Einwohners John Steinbeck wirbt. Hier kann man eine Reise in die Vergangenheit Montereys unternehmen kann. Der freundliche Kartenverkäufer möchte mir gerne eine Eintrittskarte verkaufen, doch ich muss mich in Anbetracht der mir zur Verfügung stehenden Zeit leider entschuldigen.

Draußen erwartet mich wieder der stahlblaue Himmel, bei angenehmen 25 °C mit dem wunderschönen Meerblick. Ich passiere ein Studio, in dem man eine "Full body massage" erhalten kann. Jedoch wird hier nicht auf die übliche Art und Weise massiert. Vielmehr legt man sich in auf eine Liege, die mit einem blauen, durchsichtigen Plastikkasten bedeckt wird, der an hinter den Füßen und vor dem Kopf wasserdicht abschließt. Der Entspannung suchende wird demnach in den Plastikkasten geschlossen, wobei der Kopf außerhalb dessen verbleibt. Die Massage wird dann durch einen Wasserstrahl ausgeführt. Der, wie in einer Autowaschanlage, über den Körper geführt wird. Als ich den Shop passiere, liegt niemand auf den Liegen, was ich nicht weiter für verwunderlich halte, denn sehr einladend sehen die Gebilde nicht aus. Vielmehr erinnern sie mich an die "eiserne Lunge", mit welcher erstmals maschinelle Beatmung eines Menschenmöglich war. Wer seinen Körper von innen reinigen will, kann hier nach der Massage im Übrigen auch noch einen "Drink" an der Oxygen-Bar nehmen, die ich schon in einigen amerikanischen Städten gesehen habe, deren Sinnhaftigkeit ich jedoch noch immer in Frage stellen würde.

Ich lasse Massage und Oxygen-Bar aus und steuere stattdessen lieber die Fischbude an, an welcher ich mich mit "shrimp and fries" versorge, die ausgesprochen lecker schmecken.

Leider heißt es dann auch schon wieder einsteigen. Von einem kurzen Zwischenstopp an einer Interstate-Raststätte abgesehen, geht es nun direkt zum Hotel in Santa Maria.

Während der Rast ist es nun 105 °F warm. Während wir heute Morgen bei 55 °F gestartet sind, in Monterey angenehme 76 °F messen konnten, glüht nun der Boden wieder bei Wüstentemperaturen. Unglaublich.

Die Temperaturen verlangen nach einem Eis. Tatsächlich gibt es am Rastplatz einen Automaten für alle Wünsche: Kaffee, Knabbereien, Herzhaftes, Süßes, Kaltgetränke und Eis. Der Eisautomat funktioniert ähnlich einem Staubsauger. Im Inneren steht eine große Gefriertruhe, die von außen nicht einsichtig ist. Tippt man eine Nummer ein, die einem Eis zugeordnet ist, fällt dieses aus der Kühlbox in eine Rinne aus der es, von dem Staubsaugerrüssel angesaugt, in den Ausgabeschacht gebracht wird. Leider jedoch verschlingt der Automat meine zwei Dollar, ohne dafür den Saugrüssel auszufahren und mein Eis zu liefern. Ich bin enttäuscht. Wenigstens gibt der Automat brav Rückgeld, als ich etwas genervt auf den Schalter drücke.

Auf unserem weiteren Weg fahren wir an Feldern vorbei, die gerade von mexikanischen Erntehelfern abgeerntet werden. Dann geht es bis Santa Maria hauptsächlich an der Küste entlang und ich habe einen traumhaften Ausblick auf die Stände und das blaue Meer.

Nach einer guten Stunde erreichen wir unser Hotel in Santa Maria. Es hat schon viele Stars beherbergt und weist vielen Zimmertüren goldene Sterne auf, auf welchen die Namen der berühmten Persönlichkeiten eingraviert sind, die hier einst übernachteten.

Auf der Straße vor dem Hotel ist am Abend nicht mehr viel los, doch bevor ich mich auf mein Zimmer begebe, schaue ich mich dort nochmal um. Man kann in diversen Restaurants chinesisch, mexikanisch, argentinisch oder typisch amerikanisch essen. Eine Poststelle gibt es auch, jedoch keinen Supermarkt. Die 4-spurige Straße ist nicht sehr einladend und so steuere ich bald wieder auf das Hotel zu.

In der Lobby treffe ich Mitreisende, die gerade von einem netten Mitarbeiter des Hotels ein wenig über das Hotel informiert wurden. Auch habe er berichtet, dass es in dem 1917 erbauten Hotel spuke. Das muss ich natürlich gleich recherchieren. Auf der Internetseite "Haunted Rooms" finde ich tatsächlich Informationen zum Spuk im "Santa Maria Inn". Wie man berichtet sei das Hotel das Zuhause von vielen Geistern. Der erste, der schon im Jahr 1917 gesichtet worden sei, sei ein Schiffskapitän gewesen. Man glaubte, dass er von seiner Geliebten ermordet worden sei. Er sei zu vielen Gelegenheiten aufgetaucht, wurde aber meist in Raum 210 gesichtet. Auch der Geist des legendären Schauspielers Rudolph Valentino, soll im Hotel spuken. Dieser jedoch in Raum 221, wo er gerne an die Tür klopfe und auch schon dabei beobachtet worden sei, wie er in diesem Raum auf dem Bett gelegen habe. Zudem wurde von einem Frauengeist berichtet. Sie war Kokainabhängig und wurde aufgrund ihrer wechselnden Launen "Peppy" genannt. Auch viele weitere Spukereignisse hätten in den Räumen, dem Garten und dem Keller stattgefunden. So hätten Flügel von alleine gespielt, sich mysteriöse Fußabdrücke gezeigt, hätten sich Türen plötzlich geöffnet, sei die Temperatur plötzlich gefallen und hätten sich Poltergeistaktivitäten gezeigt. Wow, das kann ja noch eine spannende Nacht werden!

11. Tag

Santa Maria - Santa Barbara - Los Angeles

Über Santa Barbara über Malibu nach Los Angeles

oder: von Beachboys, Rettungsschwimmern, Baby blue Diamond, tausenden von Sternen auf dem Boden und am Himmel und einer unbeschreiblichen Wortwahl

In der Nacht sind keine Geister aufgetaucht. Irgendwie schade. Ich hatte schon mit "Special Features" gerechnet. Dafür geht es gut ausgeruht zum Frühstück, das heute wieder ein kleines Buffet bietet.

Nachdem wir schon um 7.30 Uhr in den Bus stiegen, um, statt die Interstate zu nutzen, die meiste Zeit an der Küste vorbeifahren können. Den ersten Halt legen wir an einem Franziskanerkloster ein. Hier findet sich die Mission Santa Barbara. Sie ist eine spanische Missionsstation der Franziskaner und wurde am 4. Dezember, dem Fest der heiligen Barbara, des Jahres 1786 errichtet, um den örtlichen Stamm der Chumash zum Christentum zu bekehren.

Dann folgen wir der Pazifikküste und können viele ansehnliche Häuser betrachten, deren Bewohner täglich den unverbauten Blick auf das Meer genießen können! Neid!

Als wir wieder ein Stück landeinwärts fahren, passieren wir das riesige Areal der Neverland Ranch von Michael Jackson, die momentan zum Verkauf steht. Wenig später sehen wir das Gerichtsgebäude im gepflegten Santa Monica, in dem Jackson angeklagt wurde. Schnell erkennt man das Gebäude wieder, dessen Bilder um die Welt gingen, als Jackson dort in Handschellen vorgeführt wurde.

Als wir den Pazifik wieder erreichen, sind wir schon fast bei den "21 Meilen der Schönheit", also Malibu, angelangt. Im glitzernden blau-grünen-Meer wimmelt es von Beachboys (und sicher auch Beachgirls) auf die perfekte Welle warten. Sie liegen auf ihren Brettern in ihren dunklen Neoprenanzügen einige Meter vor dem Strand und sehen von weitem wie Robben aus.

Dann passieren wir das blau-weiße Ortseingangsschild von Malibu und erreichen damit die Heimat von Gottschalk und Klinsmann. Ein langer Strand, glitzerndes Meer, Wellen wie aus dem Bilderbuch, Palmen wie gemalt und dazwischen alle paar hundert Meter ein Turm der Rettungsschwimmer. Ein Traum!

Ich will an den Stand! Aber der Bus fährt unerbittlich weiter! Dies ist wieder einer der qualvollen Augenblicke der Rundreise, weil ich nicht einmal für eine Stunde in die "Baywatchwelt" eintauchen und mich zurückträumen kann in meine Kindheit als David Hasselhoff, Pamela Anderson und Alexandra Paul, alias Mitch Buchannon, C. J. Parker und Stephanie Holden noch mit ihren perfekten Körpern und der roten Boje in Slowmotion über den Strand hechteten und einem perfekten Delfinsprung ins Wasser tauchten, um Menschen zu retten, die einmal mehr in die gefährlichen Unterströmungen geraten waren.

Kurze Zeit später erreichen wir La La Land, wie der malerische Kosename für die Stadt der Träume, Los Angeles, lautet. Die Stadt wurde am 4. September 1781 offiziell vom spanischen Gouverneur Felipe de Neve als "El Pueblo de la Reina de Los Ángeles" ("Das Dorf der Königin der Engel") gegründet. Der gegenwärtige Name Los Angeles ist eine Verkürzung des Gründungsnamens auf "die Engel". Wegen der spanischen Bedeutung des Stadtnamens trägt die Stadt den Beinamen City of Angels (Stadt der Engel).

Im Westen und Süden grenzt die Stadt an die Bucht von Santa Monica. Im Osten und Norden ist sie von Gebirgsketten umgeben. Ebenfalls im Norden der Stadt liegt das San Fernando Valley, in dem ein Drittel der Bewohner in Einfamilienhäusern lebt. Das Tal ist durch den Griffith Park und die Santa Monica Mountains von Hollywood und der Innenstadt abgeschnitten. Die flächenmäßig größte Stadt der Welt bedeckt eine Fläche von 1290.6 km² und erstreckt sich 71 km in Nord-Süd-Richtung und 47 km in Ost-West-Richtung. Fred erklärt, die Stadt weise die größte Kraftfahrzeugdichte der Welt auf, so dass die Auto- und Industrieabgase zu einem Umweltproblem wurden und die Stadt stark von Smog belastet wird. Dies merken wir auch, als wir uns mit dem Bus durch die Stadt schieben. Ich beobachte, wie neben mir eine Radfahrerin vorbeiradelt. Da wir längere Zeit den gleichen Weg teilen, folgt ein Spiel von Überholen und überholt werden, wobei letztendlich die Radfahrerin gewinnt, die ich irgendwann am Horizont verliere. Die Stadt wird manchmal als horizontal city (horizontale Stadt) bezeichnet, da sie relativ wenige Wolkenkratzer besitzt und das gesamte Stadtgebiet sehr weitläufig ist. Insgesamt leben 3.9 Millionen Menschen in der Stadt mit dem subtropischen Klima und ihrem 16 Highways, die bis zu 16-spurig sind.

Dass ich zu Beginn meiner Reise so viele spanisch sprechende Menschen in Los Angeles beobachtet habe, ist, wie ich jetzt von Fred erfahre, kein Zufall gewesen. Kalifornien ist mit einem Anteil von fast 35 %, der Bundesstaat mit den dritt meisten spanisch sprechenden Menschen in Amerika. In Los Angeles liegt ihr Anteil noch darüber. Besonders viele Mexikaner seine hier heimisch erklärt Fred, so dass L.A. auch als die zweite Hauptstadt der Mexikaner gelte.

Während wir so über Land und Leute informiert werden, erreichen wir Beverly Hills, genauer: Hollywood mit dem 11.7 km langen und 3.000 Sterne reichen "Walk of Fame". Bevor es für uns über den Hollywood Boulevard geht. Starten wir mit unserer Tour am ehemaligen "Kodak-Center", das jetzt "Dolby-Center" heißt, seit Kodak Konkurs anmeldete.

Wir werden von Fred so geführt, dass wir einen fantastischen Blick auf die 4 Etagen hohen Hollywoodbuchstaben erlangen können. Fred berichtet, dass auf dem Hollywood Boulevard steht das Grauman’s Chinese Theatre. Es wurde 1927 im Stil einer chinesischen Pagode eröffnet. Weltberühmt wurde das Kino durch die Hand- und Schuhabdrücke zahlreicher Filmstars, die in Zementblöcken im Eingangsbereich des Kinos verewigt wurden.

Das Thermometer zeigt nun wieder 98 °F. Wie schnell sich hier die Temperaturen ändern! Besonders als ich Fotos auf dem "Walk of Fame" mache, merke ich, wie der Boden unter mir glüht. Um mich herum schwirren Schneewittchen, Shrek und Michael Jackson, die Werbung für das Wax-Museum machen und einige, sehr aufdringliche junge Männer, die mir unbedingt ihre CD in die Hand drücken wollen. Bei den anderen Menschen, die die CD annehmen, beobachte ich, wie diese im Nachhinein angehalten werden zu bezahlen. Ich lehne also zunächst freundlich und dann recht energisch ab, nachdem mir die CDs doch sehr offensiv angeboten werden.

Dann erreiche ich einen Stern auf dem man seinen eigenen Namen legen und sich davor fotografieren lassen kann. Hier bleibt keine kommerzielle Idee ungenutzt!

Nach einer guten halben Stunde in der Hitze beschließe ich mich im Souvenier-Shop "La La Land" abzukühlen, für das wir zudem Gutscheine erhalten haben, die bei jedem Kauf ein Geschenk versprechen. Hier bekommt man wirklich jeden Merchandise-Artikel für Kalifornien und natürlich zum "Walk of Fame". So finden sich kleine Plastik-Oskars oder Sterne, die man mit dem eigenen Namen bekleben kann. Besonders aber kann man hier Elvis Presleys Cadillac bestaunen, das er selbst "Baby blue Diamont" nannte, da das Telefon und einige weitere Accessoires im Auto mit Diamanen besetzt sind. Der riesige, hellblaue Straßenkreuzer macht gewaltigen Eindruck und zieht viele Besucher an.

Da mich momentan eigentlich nur Hunger plagt, beschließe ich mir einen Salat im angegliederten Markt zu kaufen. Unerwartet erhalte ich auch zu diesem Einkauf mein Geschenk. Ein Pin mit der Aufschrift: "I love Hollywood". Eine nette kleine Erinnerung! Danach heißt es auch schon wieder: Auf in den Bus. Dieser bringt und nun zu den Universal-Studios. Ein letztes Stück fahren wir über das Pier von Santa Monica, welches der Beginn der legendären Rote 66 ist, hier jedoch „"anta Monica Boulevard" genannt wird.

Im Anschluss passieren wir das Gebäude, dessen Außenfassade als Drehort für den Film "Pretty Woman" genutzt wurde. Es ist das Haus in dem Julia Roberts, alias Vitoria, lebt. Als Rosenkavalier fährt Richard Gere, alias Edward Lewis, am Ende des Films zu ihrem Haus und erklimmt sogar trotz seiner Höhenangst die Feuerleiter zu ihrer Wohnung, um seine Liebe zu bekennen. Auch wenn wir nicht aussteigen, benötige ich davon natürlich dringend ein Foto und versuche meinen Fotoapparat so gegen das Busfenster zu drücken, dass ich den Ort ohne Reflexionen ablichten kann.

Dann erreichen wir die Universal-Studios. Natürlich haben wir auch hier - leider - wieder keine Zeit für einen Besuch des Parks, aber schon allein die Einkaufsstraße, die am Eingang des Parks zu finden ist, lässt auf dessen Giganteske schließen. Die Werbungen sind fast alle dreidimensional gestaltet, so dass dem Besucher, King Kong, Riesenfrüchte, halbe Autos oder Raumschiffe förmlich entgegenspringen. Über dem Hard Rock Cafe ist die größte Gitarre der Welt zu finden und vor King Kong spritzt ein Brunnen, der auf einem rechteckigen Feld angelegt und mit diversen, im Boden versenkten Düsen versehen ist, die unterschiedlichsten Muster in den Himmel. Die Kinder duschen sich im kühlen Wasser des Brunnens, das eine Erfrischung verspricht und viele Erwachsene versuchen sich so zwischen den Düsen zu postieren, dass sie bei deren Betätigung nicht nass werden, jedoch ein atemberaubendes Foto erhalten. Die Meisten jedoch können den Brunnen nicht gänzlich überlisten. Sie sind, zumindest teilweise Nass, als sie das Wasserspiel verlassen. Gerne hätte ich auch ein solches Foto gewagt, doch es ist mir zu riskant vielleicht doch mit nasser Kleidung wieder in den Bus steigen zu müssen. Im Nachhinein bereue ich ein wenig, dass ich es nicht gewagt habe.

Nach einer weiteren halben Stunde im Stadtstau erreichen wir die Gründungsstätte der Stadt: El Pueblo de Los Angeles. Es ist das symbolische Herz der Stadt Los Angeles. Heute sind noch 27 Gebäude aus den Gründerzeiten von Los Angeles erhalten geblieben, die einst von den spanischen Siedlern aus dem heutigen Nord-Mexiko errichtet wurden. Die Temperatur ist nochmals gestiegen und bei der Besichtigung suchen alle Reisenden den Schatten.

Wir sind alle geschafft, vom frühen Aufstehen und der plötzlich wieder einsetzenden Hitze und freuen uns als wir etwas später unser Hotel erreichen und knappe zwei Stunden entspannen können.

Um 18.30 Uhr sind alle wieder fit zur, extra gebuchten, Abendrundfahrt. Unsere erste Anlaufstelle ist der "Farmers Market". Dabei handelt es sich um einen 1934 eingerichteten, permanenter Markt, der Lebensmittel und kulinarische Angebote aufweist und als historischer sowie touristisch bedeutsamer Ort der Stadt Los Angeles gilt. Hier kann man diverse internationale Küchen testen. 1948 entstand der Uhrenturm, der inzwischen zum Wahrzeichen des Marktes geworden ist. 2002 wurde auf einem Teil des historischen Farmers Market das Open-Air-Einkaufszentrum "The Grove at Farmers Market". Man kann mit einer klassisch aufgemachten Straßenbahn vom Farmers Market zu The Grove fahren, wenngleich nur wenige hundert Meter zwischen diesen Liegen. Die Fahrer der Bahn sind historisch gekleidet und das Vehikel selbst bewegt sich, die Fußgänger auf dem gepflasterten Boden mit einer alten Klingel eindringlich warnend, langsam voran. "The Grove" bietet eher höherpreisige Waren an, weist namenhafte Designer und einen Apple-Store auf, während man am "Farmers Market" durchaus auch für kleineres Geld einkaufen kann. Dafür lockt der obere Abschnitt der Straße mit Springbrunnen, einem Plastikrasen-Picknickerlebnis, bei dem man sich eine blaue Decke ausleihen und auf dem grünen Plastikrasen verweilen, ein übergroße "Vier-Gewinnt" spielen oder grillen kann. Aus den Lautsprechern längs des "Grove" dringt Swingmusik und alles ist hier etwas ruhiger und gediegener als im Farmers Market, wenngleich die Welt hier schon an eine Vergnügungspark-Traumwelt erinnert und ganz dafür gemacht zu sein scheint, die Kunden so gut zu unterhalten, dass diese kaum merken, wie sie zum Konsum verleitet werden. Konsum, dass ist klar, ist das oberste Ziel der Bemühung und das macht mir das Ganze durchaus etwas unsympathisch, wenngleich die perfekt inszenierte Plastikwelt zugleich eine gewisse Faszination ausübt. Die anderthalb Stunden, die wir hier verbringen scheinen mir dann auch etwas lang. Lieber wäre ich noch kurz am Stand vorbeigefahren, um meine Füße doch wenigstens ein einziges Mal in den Pazifik zu tauchen, doch das Programm ist mal wieder unerbittlich.

Nach dem Besuch auf dem Farmers Market führt unser Weg zum Griffith Observatium. Dieses zu erreichen erweist sich jedoch nicht als leicht. Zu viele Menschen steuern dieses Ziel am Abend an und so benötigen wir für die Anfahrt nahezu eine Stunde. Draußen ist die Temperatur inzwischen auf angenehme 25 °C abgekühlt, im Bus friere ich bei eiskalter Klimatisierung, was dazu führt, dass sich die Fahrzeit für mich noch länger anfühlt. Langsam, sehr langsam schlängeln wir uns zum Griffith Park hinauf, der sich auf der Südseite des Mount Hollywood in 300 Metern Höhe befindet. Das Observatorium bietet eine wissenschaftliche Ausstellungen, ein Planetarium und einen atemberaubenden Blick auf das Panorama die ganze Region zwischen dem Zentrum von Los Angeles bis zur Bucht von Santa Monica und dem Pazifischen Ozean.

Als wir das Observatorium endlich erreichen sind wir natürlich nicht die einzigen Besucher. Zuerst fällt der große Obelisk mit den Figuren der Astronomen in meinen Blick, dann bemerke ich die einzigartige Sicht auf die beleuchtete Stadt. Umgeben von einer Wolke lauter Touristen quetsche ich mich an der Aussicht entlang. Obwohl mich die vielen Menschen etwas nerven und man nicht so recht Ruhe zum Genießen findet, bin ich von dem Panorama, das sich mir bietet, begeistert. Ich sehe das Bankenviertel, Malibu, Hollywood und den Flughafen am Stadtrand, in dessen Nähe sich unser Hotel befindet. Wunderschön!

Da wir leider nur 30 Minuten erhalten haben, da unser Bus an der Sternwarte nicht länger halten darf, versuche ich noch schnell ein paar Eindrücke von dem 1935 errichteten, weißen Kuppelbau und seinen Ausstellungen und Attraktionen zu erhaschen. Zunächst trete ich in die "Hall of Science", in der es einige Erklärungen zum Weltraum, den Sternen und Planeten gibt. Leider kann ich nicht alles lesen, weil die Zeit drängt, dabei ist die Ausstellung gut aufbereitet und sehr interessant. Zu sehen sind zudem zahlreiche Ausstellungsstücke. Dazu gehören unter anderem Gesteinsbrocken vom Mars, Mond und Meteoriten, ein Modell des Hubble-Weltraumteleskops, ein Seismograph und ein 100 Kilogramm schweres Foucaultsches Pendel, ein langes sphärisches Pendel mit einer großen Pendelmasse, mit dessen Hilfe ohne Bezug auf Beobachtungen am Himmel die Erdrotation anschaulich nachgewiesen werden kann. 1851 führte Foucault den Versuch mit einem 67 Meter langen Pendel mit einem 28 Kilogramm schweren und 60 Zentimeter Durchmesser umfassenden Pendelkörper der Öffentlichkeit vor. Am unteren Ende des Pendelkörpers befand sich eine Spitze, die mit jeder Schwingung eine Spur in einem Sandbett auf dem Fußboden markierte. Dies war ein laientauglicher und daher aufsehenerregender Nachweis der Erdrotation, den man auch hier im Observatorium nachvollziehen kann.

Als ich bemerke, dass sich neben mir der Aufzug öffnet, der auf das Gebäudedach führt, ergreife ich die Gelegenheit und hüpfe hinein, denn in den verbleibenden fünf Minuten will auch von dort noch ein Blick geworfen sein. Auf dem Dach angekommen erblicke ich die Sternwarte, vor der sich bereits eine lange Schlange gebildet hat. Ich seufze, denn in der Kürze der mir verbleibenden Zeit werde ich mich hier leider nicht mehr anstellen und den Blick in den Himmel durch das Teleskop genießen können. Traurig! Vielleicht hätte man den Besuch am Farmers Market kürzen und für den Besuch des phantastischen Planetariums mehr Zeit schaffen können.

Die Lage des Gebäudes, seine Gestaltung und die Aussicht sin einfach einzigartig. So verwundert es kaum, dass hier schon unzählige Filme, wie Das Gebäude war für mehrere Filme Drehort, Terminator Transformers, La La Land und Star Trek: Raumschiff Voyager, eine Kulisse gefunden haben.

Wieder im Bus beobachte ich die vielen Touristen, die fußläufig den Berg hinabsteigen, weil sie das Ziel mit dem Auto nicht erreichen konnten, beziehungsweise wieder hinabgeschickt wurden, weil sie oben nicht mehr parken konnten. Sicherlich ist das Observatorium den Weg wert!

Unseren letzten Stopp legen wir bei Oper und Philharmonie ein. Die Walt Disney Concert Hall von Frank Gehry wurde 2003 eröffnete und ist ein typischer, faszinierender Gehry-Bau. Die geschwungene Fassade und die sich sanft auftürmenden Rundungen sind eine Augenweide. Wie wundervoll wäre es, jetzt noch ein Konzert des Los Angeles Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Gustavo Dudamel hören zu können. Während ich noch vor mich hin schwelge, stehen wir schon vor der Los Angeles Opera und ihrer Spielstätte, dem Dorothy Chandler Pavilion. Auch dieses Gebäude ist wunderschön und die funkelnden Kronleuchter strahlen aus seinem Inneren in die Nacht, jedoch schlägt mein Herz, wie ich feststellen muss, noch mehr für die Architektur Gehrys.

Zurück im Bus nähern wir uns gegen 22.30 Uhr dem Hotel. Was für ein Tag! 17 Stunden auf den Beinen! Fred hatte schon recht, als er zu Beginn der Fahrt sagte: "Das ist kein Urlaub!". Nein, es war kein Urlaub, sondern eine "Erfahrung", eine Horizonterweiterung.

Als ich endlich in meinem Bett liege, beschließe ich dem amerikanischen Fernsehprogramm eine letzte Chance zu bieten. Dieses Mal bliebe ich bei einer Serie hängen die auch auf drittklassigen deutschen Programmen ausgestrahlt wird, dort jedoch mit einer nervigen deutschen Übersetzung, die den englischen Dialogen im Hintergrund übergelegt ist. Es handelt sich dabei um eine Immobilien-Sendung. Eine Familie sucht ein neues Heim und ein Makler bietet ihnen drei verschiedene Häuser an. Ich finde es spannend zu sehen, wie die Amerikaner wohnen. Wie ihre Häuser eingerichtet sind und welche Preise hier gezahlt werden. Besonders imposant aber finde ich die Wortwahl der amerikanischen Wohnungssuchenden. Jedes Haus, jede Küche, jedes Bad, jeder Raum, ja jede Fliese ist amazing, gorgeous, fantastic, unbelievable. Ich denke, dass sich die Sendung durchaus als "Trinkspiel" eignen würde. Würde man jedes Mal, wenn eines der Worte amazing, gorgeous, fantastic oder unbelievable fallen würde, einen Drink zu sich nehmen, gäbe es nach 10 Minuten die ersten Ausfallerscheinungen! Generell sind die Amerikaner schnell zu begeistern und auch von einer ansteckenden Freundlichkeit, die ich auf meiner Reise immer wieder erfahren durfte. Häufig wurde ich so beispielsweise angesprochen, wo ich herkomme und was ich doch für eine schöne Tasche, ein schönes Kleid oder dergleichen trüge. Auch wenn mir vieles übertrieben erschien, war es doch schön kurz Teil dieser sehr offenen und unkompliziert-herzlichen Kommunikationskultur zu sein. Es stimmt die Menschen positiv, wenn ihnen positiv begegnet wird, das konnte ich in diesen Tagen in Amerika einmal mehr erfahren. Und während ich noch über kulturelle Unterschiede nachsinne, senkt sich langsam der Schlaf über mich, der mich in meine (vorerst) letzte Nacht im Land der unbegrenzten Möglichkeiten trägt.

12. Tag

Abreise

"You can check out anytime, but you can never leave"

Oder: Niemals geht man so ganz!

Als ich aufwache wird mir klar: Heute endet meine Reise. Unfassbar. Ich habe das Gefühl, gerade erst angereist zu sein. Was für eine Zeit. Was für Erlebnisse. Welche Eindrücke! Ich packe meine Koffer und gehe zum letzten Mal zum amerikanischen Frühstück, das hier im Holiday Inn am Flughafen von Los Angeles, in dem ich bereits die erste Nacht verbracht habe, wiedermal üppig und lecker ausfällt.

Als wenig später mein Shuttle zum Flughafen fährt und die nette Fahrerin mein Gepäck in den Minibus hievt, fange ich erst wirklich an zu realisieren, dass die Reise vorbei ist. Fred begleitet mich und ein paar Reisende ein letztes Mal, weil auch er zum Flughafen aufbricht, um nach Las Vegas zu fliegen und von dort die nächste Rundreise zu beginnen.

Am Flughafen läuft alles reibungslos. Ich erhalte dieses Mal sogar ein Tickt, das mir die Nutzung der "Fast Lane" ermöglicht. Das bedeutet, dass ich meine elektronischen Geräte und Flüssigkeiten nicht einmal auspacken muss! Wahnsinn! Im Nullkommanichts befinde ich mich im Duty-Free-Bereich und kann den neuen und sauberen Flughafen auf mich wirken lassen. Durch eine Glasscheibe sehe ich etwas wehmütig die Rolltreppe mit der großen amerikanischen Fahne darüber, über welche ich vor elf Tagen das Land betrat.

Von den großen Videowänden stahlen mir imposante Bilder Kaliforniens entgegen und mich beschleicht das Gefühl, dass ich wiederkommen werde!

Fazit:

Ich habe in kurzer Zeit unheimlich viel vom amerikanischen Westen gesehen und unvergessliche Erlebnisse und Eindrücke gesammelt. Die gesamte Fahrt war perfekt organisiert. Jederzeit waren wir in Bezug auf Sehenswürdigkeiten, Wege, Land und Leute sowie Abläufe perfekt informiert. Die Fahrt war vollkommen stressfrei. Man konnte eine Menge Zeit sparen, weil man sich nicht überall selbst informieren oder durchschlagen musste.

Allerdings muss auch gesagt werden, dass es ebenfalls ein paar negative Aspekte der Reise gibt. So blieb mir leider keine Zeit für Naturerlebnisse, wie Wanderungen in Nationalparks, Rafting auf dem Grand Canyon und Baden im Pazifik. Auch Museumsbesuche waren nicht möglich. Die Hotels waren eher sparsam ausgestattet und das Frühstück meist nicht so sehr nach meinem Geschmack. Außerdem merke ich am Ende der Reise, dass es nur selten Gelegenheit zum "richtigen" Essen gab. Häufig erfolgte die Versorgung am Tag mit Fast Food oder Produkten aus dem Supermarkt und am Abend, wenn es teilweise die Möglichkeit gab, ein Restaurant zu besuchen, war ich vielfach einfach zu müde!

Als Information sei noch hinzugefügt, dass einige interessante Ausflüge, wie z. B. die Nachtstadtfahrten oder die Tour ins "Death Valley", hinzugebucht werden müssen, was den Reisepreis nochmals steigert. Der Preis wird auch nochmals dadurch erhöht, dass man am Ende der Reise darauf hingewiesen wird, dass es üblich ist, Busfahrer und Reiseleiter ein "Trinkgeld" zu geben, was natürlich grundsätzlich absolut in Ordnung und gerechtfertigt ist. Dass die Empfehlung für die Höhe des "Trinkgeldes" jedoch 5$ pro Tag und Person für den Busfahrer und 6$ für den Reiseleiter betragen sollte, summiert sich dann, obwohl beide einen wirklich phantastischen Job gemacht haben, doch nochmals.

Meiner Meinung nach wäre es daher sinnvoll, in der Reisebeschreibung darauf hinzuweisen, welche fixen Kosten auf der Reise zusätzlich entstehen.

Insgesamt muss ich sagen, dass ich vom Westen Amerikas begeistert bin. Die Landschaft ist extrem abwechslungsreich und sehr sehenswert. Die Fahrten im Bus waren keineswegs beschwerlich und für all die Dinge, die ich in diesem Urlaub nicht erleben konnte, muss ich denn wohl nochmals wiederkommen. Da ich ja irgendwann auf jeden Fall noch Hawaii sehen möchte, muss ich ja in Kalifornien ohnehin einen Zwischenstopp einlegen und jetzt weiß ich ja, was ich dann erleben will!

13. Tag

Ankunft in Deutschland

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